Die Spiele des Herrn (Johann Von Der Morgenpforte) (German Edition)
sich bewegen. Jetzt nur nicht hinlegen, auch wenn die Kälte um ihn herum auf seltsame Art und Weise müde machte. Johann hatte schon davon gehört, dass Leute kurz vor dem Erfrieren sehr schläfrig wurden. Erfrieren wollte er nicht! Am besten er würde schneller laufen. Einfach flussaufwärts, ein strammer Marsch quer durch den Wald. Je mehr Distanz zwischen ihm und den Meuchelmördern lag, desto besser! Er begann zu laufen. Die nasse Kleidung klebte an seinem Körper und pitschte, patschte bei jedem Schritt.
Johann malte sich aus, wie die Schergen immer noch auf der kleinen Lichtung standen und rätselten, ob der tot geglaubte doch noch unter ihnen weilte. Er stellte sich vor, wie verzweifelt sie sein mussten, wenn auch nur ein Funke Glaube an den Herrn in ihnen war. Hatte der Teufel oder ein Engel die Leiche geholt? Vielleicht aber würden sie sich ganz auf das Hier und Jetzt besinnen und auf die Suche machen. Wenn der Totgeglaubte gar kein Toter war, dann musste er schließlich noch leben und konnte somit gefunden werden. Sicherlich würden sie dann die Ufer absuchen. Weit konnte jemand mit einer tiefen Stichwunde nicht kommen. Plötzlich kam Johann ein ganz anderer Gedanke. Wenn die Leiche nicht weit flussabwärts trieb, sondern sich in dem seichten Gewässer an einem Ast oder an einer Erdunebenheit verfing. Dann wäre der Schluss, dass sie beobachtet worden waren, ein Schritt, den auch ein Dummkopf nachvollziehen könnte. Hatte er nicht auch Schleifspuren auf dem blättrigen Boden hinterlassen? Ein heißer Schauer durchfuhr sein Körper und ließ ihn für einen Moment die Kälte vergessen. Ja, sie wussten, dass einen Zeugen gab. Schleifspuren sahen anders aus als Krabbelspuren. Sie mussten ihn einfach suchen. Johann beschleunigte seinen Schritt ein weiteres Mal. Und dann war da noch ein Gedanke. Was, wenn der Torso wie gedacht, die Ruhr hinab schwimmen würde und irgendwo zwischen den Siedlungen strandete? Sie würden vielleicht denken, dass er, Johann, es war. Sicher, sie hatten ihn gestern gesehen! Und ein Fremder war dieser Tage kein alltäglicher Anblick. Sie würden ihn als Mörder suchen. Ein Motiv gab es ja! Hunger. Gier. Und Johann trug die Kleidung des Toten! Und alles was heute morgen noch wie ein erhörtes Gebet wirkte, war nun Plage für Seele und Geist. Panik schoss in Johann hoch. Am besten wäre es, alles wäre nicht passiert. Könnte er nur alles rückgängig machen! Es beschloß, sich der Kleidung schnellstmöglich wieder zu entledigen. Wenn er sie hier in den Fluss warf, trieb sie dem ehemaligen Besitzer hinterher. Doch schon war da wieder ein neuer, unangenehmer Gedanke. Natürlich, es würde nicht lange dauern, bis die Leiche direkt an den Häusern vorbei die Ruhr hinab trieb. Vielleicht trieb sie auch an Land. Andererseits sollte eine nackte Leiche für weniger Wirbel sorgen als eine reich gekleidete. Arme Leute waren einfach weniger Aufwand wert. Jedoch ein reicher Mann. Umgebracht? Das konnte auch für ein ganzes Dörfchen eine Menge Ärger mit der Obrigkeit nach sich ziehen. Ein armer konnte schon einmal galant verschwiegen werden. Denn so wie Johann selbst seine Unschuld nicht beweisen könnte, könnten sie es auch nicht. So oder so, auch wenn keine lastenden Beweise in Form von gestohlener Kleidung gegen ihn sprach, als Sündenbock würde er allemal herhalten! Es war zum aus der Haut fahren, dachte Johann und wünschte sich im gleichem Moment, genau das zu können.
Johann war in seinen Gedanken versunken, als Pferdelaute ihn aufweckten. Das dumpfe Geräusch von Hufen auf dem Waldboden folgte ihm, wurde lauter. Ein Pferd schnaufte. Johann konnte sie zwar vor lauter Bäumen noch nicht sehen, doch dafür besser und besser hören. Dem Laut der Tiere nach zu urteilen, mussten es wohl ein halbes Dutzend Reiter sein. Seine Fragen schienen beantwortet. Die Mörder hatten ihn gefunden.
„ Herr von Plettenberg, seid uns gegrüßt!“, der Reiter hatte sein Pferd gezügelt. Johann starrte die fünf berittenen Landsknechte vor ihm an. Für einen Moment war er sprachlos. Dann setzte sich eine Gedankenkette in Gang, von der Johann nicht wusste, ob er ihr Ende mögen würde. ´Herr von Plettenberg` hatten Sie ihn angesprochen. Er wollte schon widersprechen. Wie konnten sie ihn denn für einen von edlem Geblüt halten? Aber natürlich, der Mantel. In diesem Moment hätte sich Johann selbst ohrfeigen können. Er, der er jahrelang als Herold des Herrn der Raffenburg Nachrichten überbracht
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