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PR 2668 – Neuntau

PR 2668 – Neuntau

Titel: PR 2668 – Neuntau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Montillon
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»Niemand weiß, dass ein Roboter einsam sein kann.«
    »Ich weiß es. Seit mehr als einer Million Jahren.«
    – Gespräch zwischen Augustus und Laire, dem Roboter der Kosmokraten
     
     
    Prolog
     
    Mein Körper zerfällt.
    Wie grauenhaft, dass ich diesen Vorgang mit ansehen muss, ohne etwas daran ändern zu können. Bislang konnte ich es wenigstens verdecken. Ich habe einfach nicht hingesehen. Habe die Kleidung glatt gestrichen und im Notfall eine zweite Lage benutzt. Mein Spiegelbild sah stets wunderbar aus.
    Aber nun kann ich die Augen nicht mehr davor verschließen, mir selbst nichts mehr vormachen.
    Es hat meine linke Hand erreicht.
    Ein Teil davon ist bereits abgefallen, gestern; einfach so und völlig ohne Schmerzen – selbstverständlich, wie sollte es auch anders sein? Ich hörte es platschen und sah eine Lache auf dem Boden. Darin lag ein Finger.
    Ich darf nicht daran denken. Die Bilder verstören mich. Nur eins noch: Es war nicht leicht, ihn wieder zu befestigen. Nun funktioniert er nicht mehr richtig. Das bereitet mir weit mehr Sorgen. Wo soll das alles enden? Wenn ich ihn bewegen will, fühlt es sich an, als würde er sich verhaken. Außerdem ...
    ... schmerzt er.
    Es ist verrückt! Undenkbar.
    Wie kann das sein? So bin ich nicht! Mein Körper kann keine Schmerzen empfinden, schon lange nicht mehr. Sholoubwa hat dafür gesorgt, falls es nicht ohnehin von Anfang an so war. Ich erinnere mich nicht mehr. Es ist, als hätte die Zeit vorher nie existiert.
    Sholoubwa! Wenn ich nur an seinen Namen denke, steigt sofort Zorn in mir auf. Ich bin so wütend, dass ich schreien möchte. Es zerreißt mich schier.
    Wie seltsam.
    Vielleicht ist es tatsächlich so. Rühren all meine Probleme daher? Kann es sein, dass meine Emotionen dafür sorgen, dass mein Körper im buchstäblichen Sinne zerfällt?
    Die Vorstellung jagt mir Angst ein.
    Alles läuft aus dem Ruder! Das ist noch so etwas Seltsames: Wieso kann ich Angst empfinden?
    Offenbar treibt mich die Einsamkeit in den Wahnsinn. In der Nacht trete ich hinaus, vor den Turm, und schaue in den Himmel. Es ist wie immer: Die Sterne leuchten, winzig und fern und unerreichbar.
    Wie hat es nur so enden können?
    Ich bin verloren.
    Es ist alles so traurig.
    So traurig.

1.
    Ein Muster
    aus toten Welten
     
    »Bist du dir sicher, Alraska?« Die Augen des Zwergandroiden Eroin Blitzer schienen noch größer zu sein als sonst. Der Kopf legte sich in den Nacken, sodass das platte, leicht verrunzelte Gesicht Alaska Saedelaere anschaute.
    Der Terraner mit der Maske zögerte, ehe er nickte. »Wir sind so weit gekommen, dass wir keinen Rückzieher mehr machen können.«
    »Können ... oder dürfen?«
    Saedelaere antwortete nicht. Ihr Gespräch war in den letzten Tagen schon zu oft an diesen Punkt gelangt. Er konnte die nächsten Worte mit der Präzision eines Uhrwerks voraussagen: Wer sollte es uns verbieten? – TANEDRAR? Und egal, was er dagegen einwandte, Blitzer würde es nicht überzeugen.
    Die beiden saßen in einem Nebenraum des escalianischen Walzenraumers SHEYAR, abseits von allem Trubel an Bord. Durch ein scheinbar gläsernes Fenster schaute Saedelaere hinaus ins All, auf einen endlosen Sternenreigen. Einer dieser winzigen Punkte bildete ihr erstes Ziel; eigentlich einer der Planeten, die darum kreisten und die man bislang optisch noch nicht einmal erahnen konnte.
    Der Aktivatorträger hatte um diese Ruhezeit nicht gebeten, sondern sie sich einfach genommen und damit die Besatzung des Schiffes vor vollendete Tatsachen gestellt. Er durfte es sich erlauben. Alles war anders geworden seit seiner Begegnung mit der Superintelligenz TANEDRAR, in deren Folge er von ihr auserwählt worden war.
    Auserwählt ...
    Er dachte darüber nach, ob dieses Wort den Kern der Sache traf. Eroin Blitzer hatte es weit weniger schmeichelhaft ausgedrückt, irgendwann während des Fluges der SHEYAR zur Zwerggalaxis Dranat: missbraucht.
    Alaska Saedelaere hatte daraufhin Zorn in sich gespürt, und er wusste immer noch nicht, ob diese Emotion echt gewesen war. Oder nur eine Reflexion des winzigen Bruchteils der Superintelligenz TANEDRAR, den diese in ihm verankert hatte.
    Fast jedes Lebewesen der Galaxis Escalian trug einen solchen Splitter – wer bei seiner Geburt keinen erhielt, galt als ein Unharmonischer und wurde ausgestoßen und verfolgt. Saedelaere hatte es gemeinsam mit dem Zwergandroiden in das »Reich der Harmonie« verschlagen, in die Zivilisationen der Maskenträger. Sie waren dort

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