Die Spieler
Taunusbahn nach
Wellersheim. Seit vor zwei Jahren die Bundesbahn einen ICE auf den Namen Wellersheim(Taunus) in Wellersheim am Bahnhof oder besser gesagt, an der Haltestelle der Taunusbahn taufte, scheint
Bürgermeister Winter nur noch groß zu denken. Dass dem Wellersheim -ICE nicht lange danach in
Köln die Radkränze gebrochen sind, hat er bei keiner Ratssitzung mehr erwähnt.
Heike Petzold stellt ihren Käfer auf einem der freien Parkplätze vor dem Steuerbüro Soller ab.
Von der Ortsmitte her, die noch keinen Kilometer
entfernt ist, hört man die Motoren der
Baufahrzeuge. Früher war es morgens so schön ruhig, wenn Heike um diese Zeit mit der Arbeit
begann. Auf der Treppe, die zum Kanzleieingang führt, schaut sie zum Feldberg hinüber. Kein
Wölkchen ist zu sehen. Es wird ein schöner frühsommerlicher Tag werden. Viel lieber würde sie
daher mit ihrem Cabrio die sich durch Natur und Waldparks windende
Höhenstraße
zur
Feldbergstation hinauf fahren, da ein wenig spazieren gehen und hinterher einen kräftigen Eintopf
und ein Bier in der Gaststätte oben zu sich nehmen. Am liebsten auf der Terrasse, von wo man
diesen herrlichen Blick nach Frankfurt hinunter hat. Und von wo man die Adler beobachten kann,
wenn der Bärtige von der Vogelstation seine majestätischen Greifvögel ihre Kreise ziehen lässt.
Heike Petzold klingelt, der Türöffner summt. Leider wird sie sich den ganzen Tag wieder nur mit
Zahlen und Datev-Masken beschäftigen dürfen.
*
Palmstedt tut sich schwer an diesem Morgen im Monitorraum der Großbank, für die Katjas Firma
Sicherheitsaufgaben wahrnimmt. Wie gewohnt nimmt er die Protokolle der Nachtschicht ab. Bei
keiner der Gebäudebegehungen wurden Unregelmäßigkeiten festgestellt. Niemand bemerkt, dass
seine Hand zittern würde, wenn er sich nicht auf dem Pult abstützt. Es sei jedenfalls kein Parkinson,
meinte seine Hausärztin. Und verschrieb ihm damals Tabletten. Tabletten, die ihm in diesem
Anfangsstadium des Alkoholikers das Verlangen nach Alkohol nehmen sollten. Kein Bourbon mehr.
Und auch kein schottischer Whiskey. Weder pur noch als Mint Julep oder Manhatten Perfect .
Palmstedt hat am nächsten Tag diese sündhaft teuren Tabletten in der Apotheke gekauft. Als die
junge Apothekerin ihm die Packung reichte, schämte er sich. So geschämt hatte er sich selbst
damals nicht, als er bei ihrem ersten gemeinsamen Paris-Wochenende in der Pharmacie der Gare
Montparnasse die große Packung Kondome verlangte, als Katja eine Zeit lang die Pille abgesetzt
hatte. Paris war Katjas Stadt. In einem Jahr waren sie sieben Mal in Paris. Mal zwei Tage, mal vier.
So wie es ihnen möglich war. Palmstedt mag Paris nicht besonders. Die Stadt ist voller Hundekacke.
Aus den Metroabgängen riecht es faulig und die Franzosen scheißen im Stehen. Oder in der Hocke.
Einmal hat sich Palmstedt in einem Bistro über die verschissene Toilette beschwert. Darauf kam ein
Hilfskoch aus der Küche und hat sich in seiner weißen Schürze ans Säubern gemacht. Sie haben
schnell gezahlt und sind gegangen. Das Tatare de Boeuf haben sie nicht angerührt. Palmstedt hat nie
verstanden, wie es zu dem Ausspruch Essen wie Gott in Frankreich hat kommen können. Meist
zahlten sie zu viel für mäßige Qualität. Einzig die Weine waren immer gut. Aber oft auch überteuert.
Trotzdem fuhr er wieder mit Katja hin. Jedes Mal. Nach Katjastadt . Sie war verrückt nach Paris.
Verrückt auf die kleinen Bistros am Montmartre, die Boutiquen auf den bunten Boulevards und in
den alten Passagen, auf die geschwungenen Hügeln und weit abfallenden Wiesen des Buttes
Charmont. Hier saßen sie oft im Park auf einer Bank, aßen vergnügt ihre mitgebrachten Eclaires
oder küssten und umarmten sich lange in dem kleinen Liebestempel, von dem aus man bis hinüber
zur Sacre-Coeur sehen konnte. Aus dieser Entfernung wurde dem betonähnlichen Gesteinskoloss
die Wucht genommen, die Basilika krönte den Montmartre wie in einer Modelleisenbahnlandschaft,
weithin das steinerne Meer der Pariser Häuser und Bauten überragend. Aber auf die Tabletten
musste Palmstedt sich übergeben, selbst wenn er nicht trank. Er konnte Katja so nicht befriedigen.
Ihm wurde schlecht beim Essen. Beim Metrofahren. Beim Ficken. Die letzte Packung hat er daher
weggeschmissen. Irgendwo am Kanal Saint Martin. Sie standen auf einer der Brücken und haben
den langsam dahingleitenden Booten mit Touristen zugesehen, die dann unter ihnen und unter der
Weitere Kostenlose Bücher