Die Spieler
Christian sie wegen einer anderen verlassen hätte.
Nach eine weiteren viertel Stunde sind die Formalitäten erledigt, Heike Petzold hat die Abschrift
der Identitätsfeststellung unterschrieben. Yvonne Hassinger hatte ihr noch angeboten, sie mit dem
Dienstwagen nach Hause in den Taunus zu fahren. Aber Heike Petzold wollte lieber in der
sommerlichen Luft auf der Zeil spazieren gehen. Das grässliche Bild verdrängen. Ein paar Sachen
kaufen.
„Sind Sie sicher?“ hat Yvonne Hassinger sie besorgt gefragt.
„Ja, bin ich, vielen Dank!“ hat Heike Petzold mit wieder etwas festerer Stimme
geantwortet. „Es wird schon gehen.“
„Wenn nicht, hier ist die Nummer einer unserer Polizeipsychologinnen. Sie ist sehr
einfühlsam. Zögern Sie nicht, da anzurufen, wenn Sie es nicht schaffen, gell?!“
„Ja, mache ich! Dankeschön!“
Dann verabschieden sich die beiden Frauen. Yvonne Hassinger hält die ihr hingestreckte Hand ein
oder zwei Sekunden länger fest, als es für ihre Rolle als Beamtin angebracht wäre in dieser
Situation.
„Und wegen des Wagens melden wir uns, sobald wir ihn gefunden haben.“
Heike
Petzold
nickt
kurz
zustimmend,
dann
verlässt
sie
das
Gebäude
in
Richtung
Straßenbahnhaltestelle. Yvonne Hassinger sieht ihr noch einen Moment hinterher, wie sie mit offen
stehenden Sommertrench-Coat und bestimmten Schritten über die Straße geht, dann holt auch sie
ihre schwarze Lederjacke und ihren Rucksack aus dem Verfügungsraum, die Sachen, die sie im
Außendienst gewöhnlich mit sich führt. Das Schulterholster, in der ihre Dienst-P5 steckt, wird von
der etwas bauschigen Jacke gut kaschiert. Handschließen, Kelle und Schlagstock führt sie in einem
Sportrucksack mit sich, den sie als Willkommensgeschenk im Fitness-Studio vor Jahren überreicht
bekam. Auf dem Weg zum Parkplatz, wo der Dienstgolf steht, kramt sie aus dem Rucksack ihre
Zigaretten hervor und zündet sich eine an. Noch bevor sie die Tür fern entriegelt, nimmt sie ein,
zwei kräftige Züge und atmet den Rauch weit aus sich heraus.
Was für ein Scheißberuf!
Warum hab ich nur das Dolmetscherstudium in
Saarbrücken geschmissen?!
Dann wirft sie die nicht zu Ende gerauchte Zigarette zu Boden, zerstampft sie mit dem Fuß und
parkt zügig den Wagen aus. Auf der Fahrt zurück nach Wiesbaden hört sie Barcelona von Queen. Etwas lauter als sonst. Viel lauter. Barcelona muss jetzt super sein zu dieser Jahreszeit. Sobald sie
den Jackpot geknackt hat, wird sie sich da eine tolle Stadtwohnung kaufen. Jenseits der lauten
Ramblas, aber trotzdem mitten drin. Im Leben. In der Freude.
*
Heike Petzold sitzt still in ihrem Arbeitszimmer in ihrer überschaubaren Wohnung. Sie will
die Sachen ihres Christians in Kisten verpacken. Aber als sie mit seiner Wäsche begonnen hatte,
merkte sie, dass sie hierzu nicht die Kraft hat. Noch nicht. Die Sachen stören auch keinen und wem
sollte sie sie auch geben? Christian Paulus war Einzelkind, seine Eltern waren schon verstorben,
bevor Heike Petzold und er sich kennen gelernt hatten. Vielleicht wird sie Christians Sachen in ein
paar Wochen der Roten Kreuz-Station im Ort vorbei bringen.
Christian ist tot. Unfassbar! Gut, sie waren nicht für einander bestimmt, trotzdem hätte sich Heike
Petzold eine Zukunft mit diesem Mann vorstellen können. Aber Tote kennen keine Zukunft.
Christian wurde ermordet. Wie konnte es dazu kommen?! Heike Petzold hatte es erst gar nicht
verstanden, als es ihr diese nette Kommissarin erklärt hatte. Und dann all diese Fragen. Hatte Ihr
Lebensgefährte Feinde? Hat er mit Drogen gehandelt oder war er in etwas verwickelt? Hatte er
sich verändert in letzter Zeit? Ja, er hatte sich verändert, er hat sich nicht mehr für sie interessiert.
Nur noch für sein blödes Auto. Letztlich hatte er sich sogar für
einen neuen Maserati interessiert.
Aber hätte sie das der Kommissarin sagen sollen? Das ihr Freund sich mehr für italienische
Sportwagen als für sie interessiert? Was geht die Polizei ihr Sexualleben an?! Heike Petzold hat mit
„Nein“ geantwortet.
Sie beschließt, sich mit Arbeit
abzulenken. Vom Büro Soller hat sie per Fax
den
Rückstellungsplan für den Landschaftsgärtner erhalten. Sie wird die Buchungen für das BesorKonto übernehmen. Wobei dieser Aufwand aus ihrer Sicht sinnlos ist. Wenn der Unternehmer keine
neuen Geräte und Nutzfahrzeuge anschafft, muss er den Rückstellungsbetrag wieder auflösen und
zum Steuersatz des
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