Die Spieler
Mainzer Landstraße. Von
dort sind es nur wenige Minuten zum Blue Hour . Die Bahnhofsgegend um die Kaiserstraße
hinterlässt
einen
bitteren
Nachgeschmack,
Erinnerungen
an
ein
anderes
Dasein,
seinen
aktiven
Polizeidienst,
stellen
sich
ein.
Kleine
und
große
Prominente
in
dubiosen
und
hässlichen Verstrickungen im Stricher- und Nuttenmillieu. Verirrte Touristen, ausgeraubte
Neureiche. Das Frankfurter Nachtleben. Heute bringt das nicht mal mehr Quote im RTLReality-Programm. Das Verbrechen auf der Straße ist zu normal geworden. Die Maßstäbe
haben sich verschoben. Die wahren Verbrecher sitzen heute in den Glaspalästen. In den
Wolkenkratzern.
Durch
Menschen
wie
Palmstedt
eskortiert,
wenn
sie
sich
in
der
Öffentlichkeit bewegen. Sie bezahlen Firmen wie Katjas Mersmann Security GmbH, für die
Palmstedt seit seinem Rauswurf beim LKA arbeitet . Unantastbar. Beschützt. Verschanzen
sich hinter dem Aktienrecht, hinter Soll und Haben,
hinter Lug und Trug. Und ihr Handeln
bleibt
ohne
Konsequenzen.
Zumindest
für
sie,
nicht
für
die
kleinen
Geldanl eger.
Die
weltweite Immobilienkrise hat dies erst wieder eindrucksvoll bewiesen. Auch Katjas Firma
spürte von der Krise nichts. Ihre Auftragslage hat sich fast verdoppelt seit dem. Denn die Krisenmacher haben große Angst. - Angst vor der Rache der Geschädigten!
Das Blue Hour ist um diese Zeit noch kaum besucht. Palmstedt setzt sich in eine
Ecke weit hinter der Bar, so dass die Bedienung fast den ganzen Raum durchqueren muss,
um seine Bestellung entgegennehmen zu können.
„Nur ’nen Ferrari bitte, ich brauch’ meine Sinne heute noch!“, trägt Palmstedt
der jungen Frau auf.
„Und der Barmann soll den Calvados weglassen! Nur Vermouth Dry, ’nen
Schuss Amaretto.“
Früher wäre das ein Dienstvergehen gewesen, heute ist es Abwägungssache.
„Viel Eis?“, fragt die Bedienung nach.
„Viel Eis!“
Palmstedt überfliegt die Tageszeitung, die er am Eingang gefunden hat. Er würde
sich jetzt gerne einen Zigarillo dazu anstecken. Aber dazu müßte er in den volleren und
kleineren Rauchernebenraum gehen, dann sieht ihn aber Henk womöglich nicht. Und sie
können dann nicht ungestört reden. Palmstedt war neulich mit einem Kunden in Wien. Da
durfte
noch
überall
geraucht
werden.
Es
war
herrlich!
Dass
die
Österreicher
nicht
die
Schnellsten sind, hat auch seine guten Seiten!
Die junge Bedienung serviert den Cocktail. Palmstedt genießt den ersten Schluck uns lässt
ihn lange in der Kehle ziehen. Das Klimpern der Eiswürfel im Glas gibt ihm d ie Erinnerung
an ein längst gewesenes Wohlgefühl zurück. Der Amaretto erzählt ihm leise das Lied seiner
großen Liebe mit Gabrielle mit Michelle mit Katja und die duftenden Kräuter des Weines
legen sich lindernd auf seine alten Wunden. Ein guter Cocktail ist wie ein Ölgemälde, sagte
ihm der Barmann in Wien, er hat Licht, Farbe und Struktur, ist wie das Abbild eines Lebens,
wird durch die unterschiedlichsten Zutaten erst vollendet. Helle und dunkle, scharfe und
weiche. Höhen und Tiefen. Fehlt auch nur ein winziger Teil, ist ein Quäntchen zu viel oder
zu wenig hineingeraten, kann man ihn nicht genießen, kann man es nicht ertragen! Wie Recht
der Mann mit der Fliege in der Bar gegenüber dem Naschmarkt hatte. Es stimmt, dass die
Zeit alle Wunden heilt. Aber man wird die Narben trotzdem immer sehen, immer spüren, dass
sie da sind. - So wie dem Glas die Neige bleibt. Und das Feuer die Asche gebärt.
Henk van de Hoogten betritt die Bar. Palmstedt gibt ihm mit der gefalteten Zeitung ein
Zeichen und van de Hoogten setzt sich in seine Richtung in Bewegung. Seit ihrem letzten
Treffen
im
März
ist
Henk noch dicker geworden. Auf der Stirn hat
er Schweißperlen,
wahrscheinlich sind die Rolltreppen am Bahnhof wieder wegen Wartungsarbeiten abgestellt.
In seiner Ehe mit Mariella hat van de Hoogten gut und gerne 20 Kilo zugelegt. Sie sind ein
glückliches Paar. Palmstedt beneidet ihn um seine Ehe. Und insgeheim bewundert van de
Hoogten, der erst Mitte 40 ist, wie Palmstedt um einige Jahre älter immer noch so schlank
und sportlich ist wie zu Beginn ihrer Bekanntschaft, damals, als Palmstedt noch Vorlesungen
über kriminalistische Polizeiarbeit an der Akademie hielt und van de Hoogten die Schulbank
drückte. Nur die grauen Schläfen lassen erkennen, dass Palmstedt seitdem älter geworden ist.
Reifer.
„Schön, dass de Zeit hast!“, beginnt van de Hoogten.
„Ja ja, schon gut! Was sollte das mit dem Anruf?!“
Noch bevor
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