Die Spieler
Polnisch!“
„Mit zwei Drachenköpfen?“ Palmstedt ist sehr sachlich jetzt. Seine Stimme hat sich
wieder gefangen.
„Ja, mit zwei goldenen Drachenköpfen. Und einer Gravur.
-Bist du noch dran?“ Van
de Hoogten kann Palmstedt atmen hören. Er weiß, in welcher Wunde er gerade bei seinem alten
Freund und ehemaligen Kollegen bohrt. Es muss höllisch brennen!
„Ich muss ihn sehen!“ fordert Palmstedt nach ein paar Sekunden der Stille, in denen
er mit sich gerungen hat.
„Peer, du weißt, das geht nicht.“ wiegelten van de Hoogten ab, wohl wissend, dass er
Palmstedts Hilfe und Sachverstand in dieser Angelegenheit sehr gut gebrauchen könnte.
„Dann ruf mich nicht mehr an deswegen!“ Palmstedt wird wieder etwas lauter und
will auflegen, als es sich van de Hoogten anders überlegt.
„Halt, warte, na gut! Heute Abend. Im Blue Hour. Gegen 22:30 Uhr. OK?“
„22:30 Uhr.“ wiederholt Palmstedt tonlos und schaltet ohne weiteren Gruß das
Gespräch ab.
Henk van der Hoogten will nicht mit ihm gesehen werden, denkt sich Palmstedt. Wählt einen
abgeschiedene dunkle Bar in einer Seitenstraße im Frankfurter Kiez, als ob es Helerware zu
übergeben gelte. Aber auch van de Hoogten hat einen Job zu verlieren, eine liebende Frau, eine
Beamtenpension. Eine Zukunft.
Viel lieber hätte Palmstedt am kommenden Samstag die Eintracht gegen die Borussia spielen
sehen anstatt in der Vergangenheit zu wühlen. Im Schmutz. Im Schmerz. - Im Blut.
*
Die
Hängeregistratur scheppert laut, als sie Heike Petzold aus dem Rollboy
unter
ihrem
Schreibtisch heraus zieht. Heute hat sie nur einen Mandanten aus der unmittelbaren Nachbarschaft
des Steuerbüros Soller. Einen kleinen Freiberufler aus der IT-Branche. Nichts aufregendes, eine
Honorarrechnung,
ein
paar
Tankbelege,
ein
paar
Flugund
Bahntickets.
Ein
Bündel
Bewirtungsbelege. Er trinkt gerne Rotwein, der IT-Mandant. Spanische Weine stehen meist auf den
Quittungen. Bewirtet gern weibliche Angestellte der Projekte und Firmen, für die er tätig ist. Sie hat
den Herrn schon ein- oder zweimal persönlich gesehen bei Aktenübergaben. Gute Anzüge, graue
Schläfen. Ein gealterter Don Juan. Ein Verführer. Heike Petzold malt sich gerne aus, wie diese
Dienstbesprechungen in den vornehmen Lokalen in München, Hamburg oder Wien von statten
gehen könnten. Wie sich Hände auf weißen Tischdecken berühren, roter Lippenstift nach jedem
Schluck am Glasrand zurück bleibt und heimlich unter den Tischen sich Schenkel für fühlende
Finger öffnen.
Ihr Christian ist kein Don Juan. Ihr Christian ist ein ewiger BWL-Student. Der gerne Volley-Ball
spielt und Kampfsport macht. Das wenige Geld, dass er durch Jobs wie Kurierfahrten und aus dem
Verkauf von Geflügel mit einem fahrbaren Hähnchengrill verdient, steckt er meist in seinen alten
Alfa Romeo 1.8 16V Twin Spark, den er gerade wieder über den TÜV gebracht hat. Sie haben sich
auf einem Young-Timer-Automobilmarkt in der Wetterau kennen gelernt. Sie hat dort das KäferCabriolet erstanden. Und Christian gefunden. Aber Christian keinen Käufer für den Alfa. Für den
gemeinsamen Haushalt bleibt daher von Christians Geld nichts übrig. Den bezahlt Heike Petzold
allein. Zum Glück kann sie schon während Ihrer Ausbildung als freie Mitarbeiterin in Steuerbüros
wie dem von Frau Soller Geld verdienen. Noch nicht viel. Aber immerhin. Für ein Essen zu zweit
184 EUR ausgeben kann sie aber nicht. Noch nicht. Wenn sie mit ihrem Christian essen geht,
müssen 25 oder 30 EUR reichen.
Bis zur
Mittagspause
wird sie die Belege
Umsatzsteuerzahllast im
Datev-System erfasst
geprüft und eingegeben haben, die monatliche
und für
den Übertragungstermin am 9. Juni
vorgemerkt haben. Dann wird sie Christian anrufen. Sie haben sich am Wochenende kaum gesehen.
Samstagnachmittag haben sie zum letzten Mal miteinander telefoniert. Da war er so komisch am
Telefon. Ist ihr ausgewichen. In letzter Zeit haben sie kaum noch Sex. Das ist normal nach ein paar
Jahren, das weiß sie. Es ist nicht ihre erste Beziehung. Aber eine andere Frau hätte er auch nicht, hat ihr Christian gesagt und sie ausgelacht. Für eine Buchhalterin hätte sie zu viel Phantasie, hat er
gesagt. Sie solle besser Kitschromane schreiben. Das kaufen die Leute doch. Dann hätten sie auch
mehr Geld und er könne sich den neuen 156er leisten.
Er lachte eine Spur zu laut. Heike Petzold war verletzt.
*
Kurz nach 22 Uhr fährt Palmstedt zum Parkhaus in der
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