Die Spur der Füchse
sie jeden Freitag ein paar Kröten von ihrem Boß bekamen, unabhängig davon, ob er einen Coup gelandet hatte oder nicht. Tony seufzte erleichtert. Nun würde ihn die Last der Verantwortung für seine Jungs nicht mehr so sehr drücken. Das allein war die Sache schon wert gewesen.
Tony hielt vor dem Haus seiner Mutter. Die Zeiger der Uhr am Armaturenbrett standen auf kurz vor halb fünf. Vielleicht hat Mom den Tee schon gekocht, dachte er. Und was es wohl zu essen gibt? Käse auf Toast? Oder einen Teller dicke Bohnen in Tomatensoße? Und hinterher ein Stück Obstkuchen oder Plätzchen? Und zum Nachtisch eingemachte Birnen mit Schlagsahne? Vielleicht hatte Mom ihm sogar sein Leibgericht gemacht: Eierpfannkuchen mit Marmelade. Als Vorspeise wäre es nicht schlecht; denn richtig reinhauen wollte Tony erst am späteren Abend, wenn er mit seinem noch unbekannten Liebhaber essen ging. Tony hatte immer schon einen gesegneten Appetit gehabt.
Er ging ins Haus, schloß die Eingangstür hinter sich und stutzte. Im Flur herrschte ein ungewohntes Durcheinander. Der Staubsauger stand einsam und verlassen auf halber Höhe der Treppe zum Obergeschoß, ein Regenmantel war vom Kleiderständer gefallen und lag auf dem Fußboden, und durch die offene Tür sah Tony, daß die Wand der Küche mit irgend etwas beschmiert war.
Es sah so aus, als wäre Mom mitten bei der Arbeit von einer Nachbarin gerufen worden, weil es um irgend etwas Wichtiges ging. Hoffentlich gibt es keine schlechten Neuigkeiten, dachte Tony, hob den Regenmantel auf und hängte ihn an den Kleiderständer. »Mom!« rief er, doch es blieb still. Auch der Hund schien draußen zu sein, sonst hätte er schon längst sein Willkommensgebell ertönen lassen.
Tony ging zur Küchentür – und blieb abrupt stehen, einen Fuß in der Küche, den anderen noch im Flur.
Was ist das denn für eine Schweinerei?, fragte er sich, weil er zuerst gar nicht erkannte, um was es sich handelte. Dann roch er das Blut.
Es war überall: an den Wänden, auf dem Fußboden, an der Decke; sogar der Kühlschrank, der Herd und das Spülbecken waren damit bespritzt. Schlachthofgeruch stieg Tony in die Nase, und ihm wurde schlecht. Du lieber Himmel, woher kam das viele Blut? Und wer hatte die Küche damit verschandelt? Voller Entsetzen ließ er den Blick durchs Zimmer schweifen, um irgendeinen Hinweis zu finden, doch es war nichts zu sehen.
Nur das Blut.
Mit zwei großen, schnellen Schritten durchquerte Tony die Küche, konnte aber nicht verhindern, daß er in Blutpfützen trat, wobei seine Schuhe schmatzende Geräusche von sich gaben. Er riß die Hintertür auf.
Und sah, was geschehen war.
Die Boxerhündin lag mitten auf dem kleinen, betonierten Hinterhof. Das Tier lag auf dem Rücken, alle viere von sich gestreckt, und das Messer steckte noch immer in seinem Leib – jenes Messer, das Tony an diesem Morgen zu scharf geschliffen hatte. Er kniete neben dem verstümmelten Körper nieder. Der Hundeleichnam sah seltsam verschrumpelt aus – wie ein Ballon, aus dem die Luft entwichen war.
Eine ganze Litanei leiser, gotteslästerlicher Flüche kam über Tonys Lippen. Er starrte auf die vielen Stich-und Schnittwunden und den Stoffetzen, der noch zwischen den gefletschten Zähnen des Hundes steckte, und flüsterte: »Hast dich wenigstens gewehrt, Mädchen.«
Er ging zum Gartentor und schaute sich um, als könnte der Killer sich noch irgendwo in der Nähe aufhalten. Doch Tony sah nichts und niemanden – nur ein großes, rosafarbenes Stück Kaugummi, das jemand auf den Boden gespuckt hatte.
Offensichtlich war Mom nicht im Haus gewesen, als der Hund abgeschlachtet worden war – und das war ein Segen. Tony beschloß, das Blut wegzuwischen und den Kadaver zu beseitigen, bevor Mom zurückkam.
Er holte einen Spaten aus dem angebauten Schuppen. Zwischen dem Hof und dem Gartentor gab es einen klei nen Flecken kärglichen Bodens, der nicht zubetoniert war. Auf diesem winzigen Beet hatte Cox senior hin und wieder Gemüse angepflanzt. Jetzt war die Erde von Unkraut überwuchert. Tony zog die Jacke aus, stach mit dem Spaten die Umrisse eines kleinen Rechtecks in den Boden und fing an zu graben.
Das Ausheben des Grabes dauerte nicht lange. Die Leiche war klein, und Tony war stark und kochte vor Wut, was ihm zusätzliche Kräfte verlieh. Wuchtig stieß er den Spaten in den Boden und stellte sich dabei vor, was er mit dem Killer anstellen würde, falls er ihn jemals finden sollte. Und er würde ihn finden. Der
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