Die Spur der Füchse
der stellvertretende Chef der Nachrichtenredaktion mit seinem Drink herüber und setzte sich zu seinem jungen Kollegen.
Statt einer Begrüßung sagte Arthur: »Was für ein Tag.«
Kevin nickte. Er legte keinen Wert auf Arthur Coles Gesellschaft. Er wäre lieber allein gewesen, um über gewisse Dinge nachzudenken.
Mit einem Zug leerte Arthur das Bierglas zur Hälfte, dann stellte er es mit einem Seufzer des Wohlbehagens auf den Tisch. »Ich hab’ heute Mittag schon auf mein Bierchen verzichten müssen«, sagte er.
Aus reiner Höflichkeit erwiderte Kevin: »Du mußtest ja auch ganz allein die Stellung in der Nachrichtenzentrale halten.«
»Ja.« Cole holte eine Schachtel Zigaretten und ein Feuerzeug hervor und legte beides auf den Tisch. »Jetzt habe ich schon den ganzen Tag einer Zigarette widerstanden. Ich möchte gern wissen, wie lange ich das noch durchhalte.«
Kevin warf einen verstohlenen Blick auf die Armbanduhr und fragte sich, ob er ins El Vino’s weiterziehen sollte.
Arthur sagte: »Wahrscheinlich denkst du darüber nach, ob es ein Fehler war, sich für den Beruf des Journalisten zu entscheiden.«
Kevin war erstaunt. So viel Scharfblick hätte er Cole gar nicht zugetraut. »Stimmt.«
»Ich glaube, du hast recht. Wahrscheinlich war es ein Fehler.«
»Du kannst einem wirklich Mut machen.«
Cole seufzte. »Das ist dein großes Problem, weißt du.
Mit deinen großkotzigen Bemerkungen wirst du immer Ärger bekommen.«
»Wenn ich jemandem in den Hintern kriechen muß, dann habe ich mir ganz bestimmt den falschen Beruf ausgesucht.«
Arthur wollte nach den Zigaretten greifen, überlegte es sich dann aber anders. »Du hast heute etwas gelernt, nicht wahr? Ich nehme an, daß du allmählich begreifst, um was es in unserem Job wirklich geht. Und ich hoffe, du hast dir heute wenigstens einen Hauch von Bescheidenheit erworben.«
Kevin, der sich über den herablassenden Tonfall Coles ärgerte, erwiderte: »Bescheidenheit? Nach den heutigen Vorfällen frage ich mich eher, ob es eigentlich niemanden gibt, der sich wie ein Versager fühlt.«
Cole lachte humorlos, und Kevin erkannte, daß er einen wunden Punkt berührt hatte: Bei Arthur mußte das Gefühl, versagt zu haben, fast schon zur Gewohnheit geworden sein.
»Du und deinesgleichen«, sagte Cole, »ihr seid anders als wir Alten, aber ich glaube, wir brauchen euch. Früher, als jeder noch ganz unten anfangen und sich die Leiter hocharbeiten mußte – das war die bessere Methode, gute Reporter hervorzubringen. Heutzutage züchtet man eher leitende Angestellte heran. Aber im Zeitungsmanagement mangelt es an klugen Köpfen, weiß Gott. Da könnte man einen Mann wie dich gut gebrauchen. Möchtest du auch noch ein Bier?«
»Ja, gern.«
Arthur ging zum Tresen, und ein wenig verwirrt schaute Kevin ihm nach. Solange er bei der Post war, hatte er von Cole nur Kritik zu hören bekommen, und jetzt riet ihm ausgerechnet dieser Mann, bei einer Zeitung zu bleiben und ins Management zu wechseln. Das aber lag nicht in Kevins Absicht, und deshalb hatte er auch nie darüber nachgedacht. Ein Job in der Geschäftsleitung einer Zeitung entsprach nicht seinen Wunschvorstellungen. Er wollte als Reporter arbeiten, er wollte schreiben, den Dingen auf den Grund gehen, die Wahrheit enthüllen.
Jetzt aber war er sich nicht mehr so sicher. Er beschloß, darüber nachzudenken.
Als Arthur mit den Bieren zum Tisch zurückkam, sagte Kevin: »Wenn das immer so geht, sobald ich eine große Story bekomme, wie soll ich es da zu etwas bringen?«
Wieder lachte Arthur freudlos. »Glaubst du, das geht dir allein so? Wer war heute der verantwortliche Nachrichtenredakteur? Ich. Für dich wird es wenigstens eine neue Story geben.« Er streckte die Hand nach der Packung Zigaretten aus, und diesmal zündete er sich eine an.
Kevin beobachtete, wie Arthur den Rauch inhalierte. Ja, dachte er, für mich wird es eine neue Story geben. Für Arthur nicht.
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