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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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verzichtete auf einen öffentlichen Abschied, blickte sie nur noch einmal kurz an und gab das Zeichen zum Aufbruch. Marthe sah den Reitern nach, bis sie im Wald verschwunden waren. Dann ging sie zurück ins Haus, um die Quartiere für Herwart und seine Leute vorzubereiten.
    Sie musste sich beherrschen, um sich nicht von den düsteren Vorahnungen überwältigen zu lassen.
    Randolf war trotz seiner Stärke kein Mann, der sich einem ebenbürtigen Gegner im offenen Kampf stellte.

Mai 1173, Hoftag in Goslar
    Markgraf Otto hatte darauf bestanden, dass Christian die Bergleute am Rammelsberg aufsuchte, noch bevor er sich in der Goslarer Kaiserpfalz blicken ließ.
    So bog Christian mit dem Steiger zur Siedlung der Berg- und Hüttenleute ab, während Otto, Markgräfin Hedwig und ihr Gefolge in der reichen und mit vornehmen Gästen gefüllten Kaiserstadt Einzug hielten.
    Seinen Knappen hatte er mit Lukas und den anderen mitgeschickt. Christian wollte nicht, dass der Junge in die Schwierigkeiten hineingezogen würde, die ihm selbst drohten, sollte der Kaiser erfahren, dass ihm der Meißner Markgraf vor der Nase Bergleute abwarb.
    Fritz, der Steiger, wies ihm den Weg zu einer der Katen, in der seine Schwester mit ihrem Mann und den Kindern lebte.
    Der Frau entfuhr ein Aufschrei, als sie ihren Bruder erkannte. Sie hatte nie wieder ein Lebenszeichen von ihm erwartet, nachdem er vor Jahren ins Ungewisse aufgebrochen war.
    »Gott steh uns bei! Bist du es wirklich oder ein Geist?«, rief sie und presste die Hände an die Wangen, während ihr Tränen in die Augen schossen. »Du lebst! Und bist gesund!«
    Erst dann wurde ihr bewusst, dass ihr Bruder in Begleitung eines Ritters aufgetaucht war, und sie erschrak.
    »Verzeiht mir, edler Herr«, beeilte sie sich zu sagen und sank händeringend auf die Knie. »Ich bin ganz durcheinander.« Bevor sie sich endlos weiter entschuldigen konnte, saß Christian ab und versuchte sie zu beruhigen. »Steh auf. Ich will etwas mit deinem Mann bereden. Nein, nein, nichts Schlimmes«, beeilte er sich zu sagen, als er merkte, dass die Frau erneut erschrak.
    »Das ist Christian, der Herr meines Dorfes«, stellte Fritz seinen Begleiter vor und bewirkte damit nur, dass die Frau wieder auf die Knie sank und die Hände ineinander verknotete.
    »Was könnten wir für Euch tun, Herr?«, jammerte sie. »Wir sind arme Leute. Und außerdem kommt mein Mann erst morgen Abend zurück. Er ist jetzt in einer anderen Grube«, erklärtesie, zu ihrem Bruder gewandt. »Der Weg ist zu weit, um ihn jeden Tag zweimal zu gehen. Erst sonnabends fährt er aus und kommt heim.«
    »Es ist gut«, beruhigte Fritz seine Schwester. »Nun bitte uns schon ins Haus hinein und lass den Herrn sein Pferd unterstellen …«
    Unter wortreichen Entschuldigungen für ihre ärmliche Kate bat sie die Besucher hinein. Drinnen krabbelten zwei kleine Kinder über den gestampften Lehmboden. Ihre älteren Geschwister arbeiteten bestimmt an der Scheidebank, mutmaßte Christian. Aus den kargen Worten des Steigers hatte er herausgehört, dass seine Schwester und sein Schwager fleißige, aber arme Leute waren, die Not hatten, ihre fünf Kinder satt zu bekommen. Deshalb hatte Christian vorsorglich ein Säckchen Hirse mitgebracht, das er nun der dankbaren Hausfrau übergab. »Sei so gut, koch uns etwas«, bat er. So war für das Essen gesorgt, und er hatte nicht erst noch einen Wechsler aufsuchen müssen, der seine Meißner Pfennige in hiesige umtauschte.
    Dass er aber einen ganzen Tag verlor, um auf Fritz’ Schwager zu warten, verdross ihn. Er hatte es eilig, unter den Gästen des Hoftages Ausschau nach einem bestimmten Gesicht zu halten.
    Nach dem Essen bot ihm die Frau ihr eigenes Bett an und wollte mit den Kindern auf dem Fußboden schlafen, aber Christian lehnte dankend ab und legte sich neben sein Pferd ins Stroh. In die Stadt würde er heute nicht mehr kommen, die Tore mussten längst geschlossen sein. Und in den Quartieren unterwegs hatte er so viele Wanzen und Flöhe vorgefunden, dass es auf eine Nacht mehr oder weniger auch nicht mehr ankam, in der er zerbissen und zerstochen wurde.
    Den nächsten Tag wollte er nicht mit Warten zubringen, und so führte Fritz ihn an den Gruben, Halden, Scheidebänken undSchmelzöfen vorbei, wo Hunderte Menschen schufteten, denen sich Staub und Schmutz tief in die Haut eingefressen hatten. Christian war erstaunt über die Größe des Reviers am Rammelsberg, in dem schon seit unzähligen Generationen gewaltige

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