Die Spur der Hebamme
aufzukommen.
Während seiner Abwesenheit hatten sich einige Zwischenfälle zugetragen, über die er nun richten sollte.
Als Erstes erhob der Weinhändler Anklage gegen den Bader. »Er hat mir ausgerechnet vierzehn Tage nach Lichtmess fast die Hälfte meiner Vorräte abgekauft.«
»Das ist kein Verbrechen«, protestierte der Bader sofort.
Das war es wirklich nicht, doch die Angelegenheit war für alle so offenkundig dreist, dass sofort Gemurmel aufkam und der Weinhändler das mehr oder weniger laut bekundete Mitgefühl der Zuschauer erhielt, während der Bader einige unflätige Rufe zu hören bekam.
Christian ermahnte die Versammelten zur Ruhe. Jedes Jahr am Lichtmesstag wurde das Geld »verrufen«; bei einem Beauftragten des Markgrafen mussten alte Pfennige gegen neue eingetauscht werden. Doch für vier alte gab es nur drei neue Münzen; die vierte Münze ging an den Markgrafen. Nur noch vierzehn Tage länger durfte das alte Geld verwendet werden. Wer also zwei Wochen nach Lichtmess Bargeld statt Ware besaß, büßte ein Viertel davon ein. Es war zwar erlaubt, alte Münzen zu behalten und aufzubewahren; ihr Silberwert blieb erhalten, doch sie in Umlauf zu bringen wurde bestraft. Also sah jeder zu, seine Pfennige noch kurz vor oder nach Lichtmess gegen Waren einzutauschen. Wenn der Bader dem Weinhändler ausgerechnet am letzten Tag der Frist einen Haufen Pfennige aufgedrängt hatte, roch das nach Boshaftigkeit. Andererseits hätte der ja auf den Handel nicht eingehen müssen.
Die nächsten Worte des Weinhändlers bestätigten Christians Vermutung. »Damit wollte er mir heimzahlen, dass ich ihm nur den halben Preis fürs Zahnziehen bezahlt habe, weil er mir dabei den Kiefer gebrochen hat«, beschwerte sich der Weinhändler. »Ich hab ihn ja auch wieder gerichtet, und das ganz umsonst«, konterte der Bader sofort.
»Hast du wegen der Behandlung noch eine Forderung an den Weinhändler?«, fragte Christian.
Der Bader breitete mit dramatischer Geste die Arme aus. »Aber nein, Herr. Ich bin ein ehrlicher Mann. Wenn er nicht zufrieden war, soll er weniger zahlen. Aber mich vor Gericht bringen, nur weil ich bei ihm kaufe – nein, wirklich! Meine Gäste haben Durst und wollen trinken.«
»Du hast ihm so viel Wein verkauft, wie er wollte?«, fragte Christian nun den Weinhändler. Der nickte.
»Dann kannst du diesen Mann nicht verklagen. Du musst das Geld tauschen. So lautet das Gesetz«, verkündete Christian.
Frohlockend wollte der Bader gehen, während der Weinhändler ein mürrisches Gesicht zog, doch Christian hielt sie beide zurück.
»Gut möglich, dass nächstes Jahr vierzehn Tage nach Lichtmess besonders viele Leute in deine Badestube kommen und mit Pfennigen bezahlen«, rief er dem Bader nach. Die Reaktionen der Dorfbewohner, die sofort tuschelten und kicherten, verrieten ihm, dass sein indirekter Vorschlag auf fruchtbaren Boden gefallen war. Bei der nächsten Geldverrufung würde sich der Bader vor Kundschaft kaum retten können, ohne Gelegenheit zu haben, die eingenommenen Münzen noch loszuwerden. Diese Vorstellung hellte auch die Miene des Weinhändlers auf. Unter dem Gelächter der Umstehenden zogen die beiden von dannen.
Als Nächstes hatte Christian die öffentliche Prügelei zwischen Griseldis und einer der Huren zu verhandeln. Auch hier sparten die Zuschauer nicht mit bissigen Kommentaren. Nicht nur der Zwischenfall selbst war pikant. Der Umstand, dass ausgerechnet die als Spaßvögel bekannten Fuhrleute Hans und Friedrich als Zeugen gehört wurden, versprach besondere Unterhaltung. Die beiden Brüder hatten vor ein paar Jahren noch Salzvon Halle nach Böhmen gefahren und bei einem Aufenthalt in Christiansdorf das erste Silbererz entdeckt, mitgenommen und im Harz untersuchen lassen. Auf Christians Vorschlag hin verlegten sie ihr Geschäft in das Dorf und waren nun Zeugen der Schlägerei mitten im Schnee geworden, als sie Holz zu einer der Gruben fuhren.
Lang und breit wollte Friedrich, der Ältere der beiden, den Vorfall ausschmücken, doch sehr zum Leidwesen der Zuhörer kürzte Christian die Sache ab. Nicht nur, um den Frauen die Peinlichkeit zu ersparen, sondern auch, weil noch dringendere Angelegenheiten zu klären waren. Er erlegte den Frauen ein Bußgeld auf. »Beim nächsten Mal stelle ich euch an den Pranger – beide gemeinsam«, kündigte er an, und diese Drohung brachte die Dorfbewohner erneut zum Lachen, die sich das Spektakel schon ausmalten.
Dann ließ Christian Peter vorführen.
Weitere Kostenlose Bücher