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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Ebert
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Sofort wurde es still, denn jeder wusste, nun wurde der schwerste Fall verhandelt.
    Marthe spürte, wie sich eine merkwürdige Stimmung über die Menge legte – die Gier nach harter Strafe. Die meisten, die eben noch gelacht hatten, wollten nun Blut fließen sehen.
    Diebstahl galt kaum weniger schlimm als Mord. Wer ehrliche Leute um den Lohn ihrer Arbeit bringen wollte, gehörte unerbittlich bestraft.
    »Dieser Junge ist ein Dieb«, verkündete Herwart, der Hauptmann der Wache, streng. »Er hat die Witwe Elsa bestohlen und ist alt genug, um die volle Strafe für sein Verbrechen zu bekommen.«
    Bleich stand der Junge vor Christian und hatte Mühe, nicht in Tränen auszubrechen.
    Ein paar höhnische Zwischenrufe kamen aus der Menge, aber Christian brachte sie mit einer Handbewegung zum Verstummen.
    »Der Junge hat nicht für sich gestohlen, sondern im Auftrag eines Mannes, der vor zwei Wochen mit einer Gruppe hungernder Waisen, die er zu Dieben abgerichtet hat, in unser Dorf gekommen ist.«
    Christian gab den Wachen ein Zeichen, die einen hageren Fremden in die Mitte stießen. Er hatte ein schmutziges Schaffell um sich gewickelt und trug einen zotteligen Bart. In seinen Augen funkelte Hass.
    Kuno und Bertram hatten den Anführer der Diebesbande am Vortag nach Marthes Hinweisen aufgespürt und sein Versteck heimlich beobachtet. Als die Kinder bei Einbruch der Dämmerung kamen, um ihre Beute abzuliefern, hatten die Wachen ihn festgenommen.
    »Zähl nach, ob noch alles drin ist«, rief Christian und warf der verblüfften Witwe Elsa ihre ins Tuch geknotete Pfennigschale zu.
    »Du Hurensohn, du kleine Ratte, du hast mich verraten! Dafür schlag ich dich tot! Dich und dein Miststück von Schwester!«
    Der Zerlumpte wollte sich auf Peter stürzen, doch die Wachen waren sofort zur Stelle und hielten ihn fest.
    »Du wirst hier niemanden totschlagen«, meinte Christian zornig.
    »Kannst du einen Gewährsmann benennen, der verbürgt, dass das Geld ehrlich erworben ist, das wir bei dir gefunden haben?«, fragte er dann. Doch der Fremde spuckte nur aus, wofür ihm Herwart einen derben Fausthieb verpasste.
    »Wir haben hier also zwei Diebe – einen Großen und einen Kleinen«, sagte Christian laut in die Runde.
    Marthe strich Anna, die sich hinter ihr versteckt hatte und nun zu wimmern begann, beruhigend über das frischgewaschene Haar.
    »Den Jungen verurteile ich dazu, als Wiedergutmachung fürsein Verbrechen ein Jahr lang bei der Witwe Elsa zu arbeiten. Du wirst ihr helfen und für sie Feuerholz sammeln, Wasser holen und alles erledigen, was sie dir sonst noch aufträgt. Ist das klar?«
    Eifrig nickte Peter, während er sich Tränen der Erleichterung aus dem verschmierten Gesicht wischte.
    »Beklagt sie sich, weil du faul bist, etwas gestohlen hast oder ausreißen wolltest, kommst du nicht noch einmal so glimpflich davon«, ermahnte Christian den Jungen streng.
    Der sank auf die Knie und strahlte ihn an. »Gott belohne Euch für Eure Gnade! Ihr werdet zufrieden mit mir sein, mein Herr.«
    »Du Ratte! Ich kriege dich«, zischte der Zerlumpte dem Jungen zu.
    »Schweig!«, fuhr Christian ihn an. »Von heute an ist dir verboten, dich diesem Ort auf weniger als zwanzig Meilen zu nähern. Zur Warnung für alle anderen wirst du gebrandmarkt.«
    Während die Menge das Urteil zufrieden kommentierte, stießen am Rand ein paar zerlumpte kleine Gestalten erschrockene Rufe aus. Auf Christians Zeichen trug Jonas ein Becken mit glühenden Kohlen und einem Eisen heran. Der Schmied war voller Zorn gewesen, als Christian und Marthe ihm am Abend zuvor von der angebotenen »Nettigkeit« Annas erzählt hatten. Seine eigene Tochter war fast im gleichen Alter wie das verwahrloste Mädchen, das dieser Dreckskerl offenkundig schon an Männer verkauft und vielleicht auch selbst missbraucht hatte.
    »Wer von euch hier ein Heim und ehrliche Arbeit finden will, soll zu mir kommen«, rief Christian laut in die Richtung, in der sich die mageren, zerlumpten Gestalten aneinanderdrängten. »Für die anderen gilt ab sofort das gleiche Verbot. Solltet ihr noch einmal hier gesehen werden, ergeht es euch wie ihm.
    « Inzwischen hatten zwei Wachen den Fremden hochgezerrt, ein weiterer Wachmann näherte sich mit dem glühenden Eisen.
    »Ich verfluche Euch! Euch und Euer heimtückisches Weib«, geiferte der Verurteilte.
    »Schweig, sonst lasse ich dich doch noch hängen«, fuhr Christian ihn an.
    Dann zischte das Eisen, mit dem die Wachen dem Verurteilten das

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