Die Spur der Hebamme
er.
Der hasserfüllte Blick, den er dafür erntete, traf den Kern seiner Selbstachtung. »Hier an der Tür. Ich werde bei dir wachen«, fügte er unwirsch hinzu.
Er sah das Misstrauen in ihren Zügen, zog seinen Dolch und ging zwei Schritte auf sie zu. Noch ehe sie etwas sagen oder tun konnte, warf er ihr den Dolch aufs Bett.
»Du kannst ihn haben. Damit du mir glaubst, dass du mich nicht fürchten musst«, erklärte er.
Doch als sie danach greifen wollte, packte er ihre Hand und hielt sie fest, so dass sie über der Klinge verharrte. »Schwöre, dass du die Waffe nicht gegen dich selbst richtest.«
Marthes Erschrecken wich Verwunderung. »Ich schwöre es.«
»Gut.« Ekkehart ließ sie los und sah zu, wie sie nach dem Dolch griff und ihre Hand mit der Waffe unter der Decke verschwinden ließ.
Marthe ließ sich zurück auf das Laken sinken. Sie gab sich keiner Täuschung hin. Auch mit dem Dolch würde sie Ekkehart kaum besiegen können. Er war fast zwei Köpfe größer als sieund seit zwanzig Jahren für den Kampf ausgebildet. Er würde jede ihrer Bewegungen schon vorher erahnen und sie mühelos überwältigen.
Vielleicht wollte er sie nur in Sicherheit wiegen. Es wäre trotz der Waffe besser, wenn sie es schaffen würde, in dieser Nacht wach zu bleiben.
»Nun schlaf endlich«, knurrte Ekkehart, rückte eine Bank an die Tür und richtete sich dort zum Schlafen ein.
Zum Teufel mit der Ritterlichkeit. Solange er mit ihr allein gewesen war, hatte sie in ihm Gefühle geweckt, die ihm sonst fremd waren. Doch in Randolfs Gegenwart gewann sein altes Ich wieder die Oberhand.
Er hatte gehofft, irgendwann würde sie zutraulich werden. Aber da hatte er sich wohl getäuscht. Solange Christian lebte, würde sie sich ihm nie freiwillig hingeben.
Nicht, bevor sie Witwe war. Aber das ließ sich bestimmt einrichten, auch ohne dass sein Freund Schwierigkeiten bekam.
Schmerzliches Wiedersehen
Die Bewohner von Christiansdorf hatten bisher nie Anlass, ihren Herrn wirklich zu fürchten, sofern sie sich nichts zuschulden kommen ließen. Doch seit dem Verschwinden seiner jungen Frau, die man mittlerweile für tot halten musste, machten die meisten lieber einen Bogen um ihn. Er jagte ihnen Angst ein.
Christian hatte sich einen kurzen Bart stehen lassen und wirkte mit den dunklen Haaren und seiner finsteren Miene nochfurchteinflößender als sonst schon. Am schlimmsten aber war die Düsternis in seinen Augen – als weilten seine Gedanken in den Abgründen der Hölle.
Die Ritter seines Haushaltes führten sich kaum anders auf. Insbesondere der junge Herr Lukas, der früher gern eine spöttische Bemerkung gemacht hatte, war kaum noch wiederzuerkennen. Und aller Vernunft zum Trotz schien Ritter Christian sich nicht damit abfinden zu wollen, dass seine Frau tot war.
Nicht, dass die Dorfbewohner nicht um sie getrauert hätten. Außerdem: Wer sollte ihnen nun helfen, wenn jemand fieberte oder eine Frau in die Wochen kam? Ihre Stieftochter, die sie angelernt hatte, war doch noch viel zu jung, um allein damit fertigzuwerden.
Zu allem Unglück war auch noch Pater Bartholomäus gestorben. Er hätte dem Herrn der Dorfes ins Gewissen reden können, damit der seine sinnlose Suche aufgab, sich mit dem Unvermeidlichen abfand und eine Messe für das Seelenheil seiner toten Frau lesen ließ.
So redeten die Dorfbewohner, wenn auch nicht ohne Bedauern. Manches von Herzen kommende Gebet wurde für die Seele der unglücklichen jungen Frau gesprochen, die neben ihren Stieftöchtern und ihrem untröstlichen Mann auch zwei kleine Kinder zurückgelassen hatte, kleine arme Würmchen.
Möge Gott sich ihrer erbarmen, aber auch dafür sorgen, dass unser Herr wieder zur Vernunft kommt, dachten viele Christiansdorfer. Und wenn er sich eine neue Frau nimmt, dann hoffentlich eine, die wenigstens halb so gütig und mildtätig wie die arme Marthe ist.
Wieder einmal kehrte Christian von einer ergebnislosen Suche zurück.
Lukas, der einen harten Tag lang Konrad und seinen BruderJakob den Umgang mit der Lanze hatte üben lassen, lief ihm entgegen und nahm ihm den Grauschimmel ab, doch er fragte nicht mehr, ob die Reise einen Anhaltspunkt gebracht hatte. Die Antwort konnte er auf Christians Gesicht ablesen.
Lukas war, als ob sich ihm ein Dolch ins Herz bohrte. Er trauerte um Marthe kaum weniger als Christian, er vermisste sie so sehr, dass es wehtat und er kaum noch Schlaf fand. Denn er fühlte sich nach wie vor schuldig an dem, was geschehen war, auch
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