Die Spur der Hebamme
wünscht, dass Ihr dies hier trinkt. Er ist in Sorge, dass Ihr Euch zu sehr aufregt. Und Ihr braucht Schlaf, Ihr seid noch sehr krank.«
»Nein.«
Bekümmert schüttelte die Alte den Kopf und stellte den Becher widerstrebend ab. »Der Herr wird zornig sein. Er ist ein harter Mann und fordert unbedingten Gehorsam.«
Sie musterte Marthe nachdenklich. »Aber so, wie er Euch behandelt, wird er wohl nicht wollen, dass ich Rufus hole, damit der Euch festhält und den Trank einflößt.«
Rufus war wohl der Bewacher vor der Tür.
»Er hat Euch heimlich hierhergebracht, sorgt sich um Euch, damit Ihr gesund werdet, er lässt Euch bewachen und gab Euch das Lieblingskleid seiner Frau«, murmelte die Alte. »Will er um Euch freien gegen den Widerstand Eures Vaters?«
Aber wer hat sie dann so zugerichtet?, überlegte Hilda, nicht zum ersten Mal. Und war das Kind, das sie verloren hat, etwa Ekkeharts? Das würde erklären, warum sich ihr sonst so strenger und finsterer Herr dermaßen um die hübsche junge Frau bemühte. Aber warum war sie dann so abweisend? Oder war sie eine junge Witwe, die den Tod ihres Mannes nicht wahrhaben wollte? In den Fieberträumen hatte die Fremde immer wieder einen Namen gerufen.
»Ich bin verheiratet«, entgegnete Marthe knapp.
Hilda brummte unwillig. Vielleicht doch eine junge Witwe, die es nicht wahrhaben wollte. Denn wenn die Fremde einen Gemahl hatte, wo blieb der dann? Ihr Herr war keiner, der jemandem einfach nur aus Gefallen einen Dienst erwies. Und dies hier schien angesichts der vielen Vorsichtsmaßnahmen eine besonders heikle Sache zu sein.
»Dieser Haushalt könnte dringend wieder eine Frau gebrauchen«, sagte sie vorsichtig. »Und mein Herr auch.«
»Haben er und seine verstorbene Frau sich sehr geliebt?«, wollte Marthe wissen. Es ging sie zwar nichts an, aber die Alte hielt sich ja auch nicht zurück mit ihren neugierigen Fragen.
»Anfangs nicht«, meinte Hilda und verfiel in einen Plauderton. »Sie war noch sehr jung, sah Euch ein bisschen ähnlich. Sie hat sich fast zu Tode geängstigt vor ihm. Er ist ja auch furchteinflößend – so groß, so stark und streng. Aber als das Kind unterwegs war, haben sich beide gefreut. Dann konnte sie es nicht zur Welt bringen. Es war zu groß, der Kopf steckte fest. Sie litt drei Tage furchtbare Qualen, die Arme. Und ich konnte einfach nichts tun. Wir haben hier alle sehr um sie getrauert.«
»Wann ist sie gestorben?«, fragte Marthe.
»Vor einem Jahr. Sie war eine gute Frau, sanft und mildtätig. Aber Ihr werdet ihm doch nicht verraten, dass ich Euch das erzählt habe?« Hilda fuhr erschrocken auf. »Er spricht nie über sie, hat auch um keine andere angehalten. Deshalb dachte ich, Ihr würdet vielleicht unsere neue Herrin.«
»Ich sagte doch schon, ich habe einen Mann. Dein Herr hat mich aus großer Gefahr gerettet.«
Marthe war selbst überrascht von ihren Worten. Glaubte sie inzwischen an Ekkeharts Uneigennützigkeit? Nach allem, was er ihr angetan hatte? Er war sogar dabei gewesen, als Giselbert sie vor ein paar Wochen auf dem Burgberg bedroht hatte. Aber erhatte dafür gesorgt, dass sie unbehelligt gehen durfte. Was sollte das alles nur bedeuten?
»Lass uns eine Vereinbarung treffen«, sagte sie zu der Alten. »Ich verrate ihm nicht, was du mir erzählt hast, und du sagst ihm nicht, dass ich das hier nicht getrunken habe.«
Sie gähnte, obwohl sie hellwach war. »Ich bin so müde, dass ich auch ohne das schlafen werde.«
»Abgemacht.«
Marthe ahnte, dass die Alte sich nicht täuschen ließ. Und wenn schon. Zum ersten Mal war sie froh über die Wache vor ihrer Tür. Irgendetwas ließ sie tatsächlich glauben, Ekkehart wollte nicht, dass Randolf sie jetzt entdeckte. Aber weshalb nur?
Ekkehart bat seine Gäste nach oben in die Wohnkammer. Nichts mehr verriet etwas von Marthes Anwesenheit in den letzten Wochen. Auf dem Tisch standen Wein und ein Teller mit Süßspeisen, die der Koch hatte bringen lassen.
Verzückt griff Richenza danach, noch bevor sie sich einen Platz suchte. Dann setzte sie eine gleichgültige Miene auf, lehnte sich zurück und ließ die Männer reden. Doch Ekkehart war sich sicher, dass sie sich trotz Randolfs Drohung sofort einmischen würde, wenn sie es für nötig hielt.
Zu seinem Erstaunen sah er, dass auch Elmar und Giselbert die Schwarzhaarige mit bewundernden, ja, gierigen Blicken anstarrten.
»Erzähle«, forderte er Randolf auf.
»Wie gesagt, es geht um dieses Weib«, knurrte der Hüne. »So
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