Die Spur des Dschingis-Khan
Blitzstrahl des Himmels?«
Der Kaiser wechselte die Sprache und sprach mongolisch weiter:
»Nur denen hilft der Himmel, die sich selber helfen.«
Langsam erhob Toghon-Khan die Stirn vom Boden. Seine Hände ergriffen die Hand des Kaisers, seine Lippen preßten sich darauf. Langsam hob sich sein Haupt, bis es die Kissen erreichte, bis seine Lippen das Ohr des Kaisers berührten. Flüsternd drangen die Worte in das Ohr des Kaisers.
Leichte Röte trat in das Antlitz des Kranken. Glanz kehrte in seine erloschenen Augen zurück, während Toghon-Khan flüsternd weitersprach.
Jetzt schwieg er. Der Kaiser ließ die Hand sinken. Er öffnete die Faust und legte die Rechte über die Augen. Die Rechte, an deren viertem Finger der kaiserliche Ring mit den Zeichen des Dschingis-Khan gleißte.
»Toghon, du Treuester aller Treuen … Auch im Tode verläßt du mich nicht …«
Von der abgezehrten Rechten streifte der Kaiser den Ring. Mit immer schwächer werdenden Händen griff er die Linke des Toghon-Khan und schob ihm den Ring auf den vierten Finger.
»Du bist … du wirst das Reich verwesen, bis mein Sohn …«
Betäubt und geblendet starrte Toghon-Khan auf den Ring an seiner Linken.
Noch einmal kamen dem sterbenden Kaiser Kraft und Sprache zurück.
»Geh, Toghon! Du hast den Ring … Ich bin müde … Jetzt werde ich schlafen … geh ….«
Der Körper des Kaisers sank auf das Lager zurück. Langsam erhob sich Toghon-Khan. Den Körper geneigt, das Gesicht gegen das Lager des Kaisers gewandt, schritt er rückwärts langsam dem Ausgang zu. Noch eine tiefe Verneigung zum Lager des stillen Kaisers. Toghon-Khan wandte sich um und trat in den Vorsaal.
Lange war er allein bei dem Kaiser gewesen. Lange hatten die im Palast versammelten Würdenträger des Reiches geharrt, daß er vom Lager Schitsus zurückkehren möchte.
Was brachte Toghon-Khan? … Was hatte der Kaiser mit ihm beschlossen? In den Herzen aller brannte die Frage, aber nichts verrieten die steinernen Züge des Toghon-Khan. Bis in die Mitte des Saales schritt er Blieb dort hochaufgerichtet stehen und ließ den Blick über die Versammlung schweifen, die Hände unter den verschränkten Armen verborgen.
Fünfzig Augenpaare waren auf ihn gerichtet. Suchend flog sein Blick durch den Raum.
Ein kurzer Wink. Ein mongolischer General eilte auf ihn zu.
»Mangu-Khan übernimmt den Befehl über die Palastwache. Geh!«
Der Angeredete verharrte überrascht und zögernd. Auch auf den Gesichtern der übrigen Anwesenden prägten sich Staunen und Zweifel.
Wie konnte Toghon-Khan solchen Befehl geben?
»Geh!«
Zum zweitenmal fiel das Wort scharf von den Lippen des Schanti. Die verschränkten Arme öffneten sich. Die Linke wies gebieterisch zur Tür.
»Niemand betritt oder verläßt den Palast ohne meine Erlaubnis!«
Es war ein neuer, schwerwiegender Befehl. Doch allen sichtbar glänzte an der ausgestreckten Hand der kaiserliche Ring, und im Augenblick wandelte sich das Bild im Saale. Sie alle, die eben noch einen Gleichberechtigten, einen Mitwerber erwartet hatten, sehen jetzt den vom Kaiser bestimmten Regenten vor sich stehen.
Ehrfurchtsvoll waren die Verbeugungen. Niemand wagte es, dem vom Kaiser selbst ernannten Regenten die schuldige Achtung zu verweigern.
*
Weithin dehnt sich das alte Siebenstromland zwischen dem Balkasch- und dem Issisee. In Wierny, der Hauptstadt des Landes, hatte Georg Isenbrandt sein Standquartier. Von hier aus leitete er die Arbeiten, welche die ihm unterstellten Ingenieure und Schmelzmeister in den südlich und westlich gelegenen Gebirgen ausführten.
Am Frühstückstisch saßen die beiden Freunde sich gegenüber. Wellington Fox sprach: »Die Lampe hat gestern noch lange bei dir gebrannt, Georg …«
»Berufsarbeit, lieber Freund. Instruktionen für die Schmelzmeister … neue Pläne für die ganze Schmelzstrecke … die Pläne sind zum größten Teil fertig … Die Instruktionen beginnen heute. Beeile dich, damit wir bald aufbrechen können.«
Wellington Fox ließ sich das nicht zweimal sagen. Beim Schlag der neunten Morgenstunde erhob sich das kleine schnelle Flugzeug des Oberingenieurs. Isenbrandt selbst führte das Steuer und setzte den Kurs nach Süden.
Hoch und immer höher, bis sie den Kamm des Himmelsgebirges erreicht hatten, das hier die Grenze zwischen Rußland und China bildete.
Den Gebirgsgrat entlang in nordöstlicher Richtung führte Georg Isenbrandt jetzt die Maschine. In brodelndem, wogendem Nebel lag das Massiv unter
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