Die Spur des Verraeters
Hand zu Hand und wurden in die Flammen gegossen. Andere Feuerwehrleute stellten Leitern auf, kletterten hinauf und schütteten Wasser auf das brennende Strohdach, um den Funkenflug einzudämmen. Doch zu retten war die Villa nicht mehr: Mit langen Stangen wurden die Wände niedergerissen, damit das Feuer nicht auf die Nachbargebäude übergreifen konnte. Der Feuerwehrhauptmann trat auf Sano zu.
»Ihr könnt von Glück reden, dass Ihr überlebt habt«, sagte er. »Jetzt solltet Ihr lieber auf die Straße gehen. Dort ist es sicherer. Kommt, ich helfe Euch.«
»Die Diener …«, stieß Sano hervor und wies auf den hinteren, noch stehenden Ostflügel der Villa, der nun von den Flammen erfasst wurde. »Wir müssen sie retten!«
Er wollte losstürmen und den Eingeschlossenen zu Hilfe eilen, doch der Feuerwehrhauptmann hielt ihn fest. »Es ist zu spät«, sagte er. »Wir können nichts mehr tun.«
Morgendämmerung. Die aufgehende Sonne war eine schmutzig-orangene Kugel an einem dunstigen Himmel – wie ein Goldfisch, der in einem trüben Zierteich schwamm. Das Feuer war erloschen; das geschwärzte Skelett der Villa stand inmitten feuchter Haufen aus verkohlten Brettern, Ruß, Asche und verbrannten Möbeln. Aus den Trümmern des Ostflügels hatten Sano und die Feuerwehrleute neun zum Teil verbrannte, aber noch identifizierbare Leichen geborgen: fünf Hausmädchen, den Koch, den Gärtner, den Stalljungen – und Alter Karpfen. Voller Trauer wickelte Sano den Leichnam des Dieners in ein Tuch, das jemand aus einem Tempel in der Nähe gebracht hatte. Dann senkte er den Kopf und sprach ein Gebet für die Seele des alten Mannes. Als die Toten von Leichenträgern zum Stadtfriedhof gebracht wurden, ließ Sano sich müde gegen die steinerne Mauer der Villa fallen.
Sein Kopf und seine Brust schmerzten; keuchend hustete er rußigen Schleim, und die roten Brandwunden und Blasen an Armen und Beinen brannten bei jeder Bewegung. Sano konnte von Glück sagen, die am meisten gefürchtete und zugleich häufigste Naturkatastrophe in Japan überlebt zu haben, und zum ersten Mal war er froh darüber, dass Hirata nicht bei ihm gewesen war. Wo er auch sein mochte – auf jeden Fall war er nicht in den Flammen gestorben. Doch als Sano versuchte, all seine Kraft zu sammeln, um den Kampf gegen seine Feinde fortzusetzen, wurde er von Schmerz und Verzweiflung beinahe überwältigt.
Der Feuerwehrhauptmann schlenderte durch die Ruinen und murmelte vor sich hin, während er den Blick über die Trümmer schweifen ließ. Neuerliches Unbehagen breitete sich in Sano aus. Mühsam stand er auf und gesellte sich zu dem Mann.
»Ich habe noch nie erlebt, dass ein Feuer unter solchen Bedingungen eine so verheerende Hitze entwickelt«, sagte der Feuerwehrhauptmann. »Gestern hat es den größten Teil des Tages geregnet. Eigentlich hätte die Feuchtigkeit verhindern müssen, dass die Flammen sich ausbreiten. Und weshalb jemand ein Holzkohlebecken angezündet haben sollte, weiß ich wirklich nicht. Es war viel zu warm. Ich glaube auch nicht, dass der Brand durch eine Lampe oder eine Kerze verursacht wurde, die jemand versehentlich hat brennen lassen.«
»Meint Ihr, es war Brandstiftung?«, fragte Sano.
»Ich würde meine Ehre darauf verwetten.« Der Feuerwehrhauptmann wies nach oben. »Das Dach und die Wände sind völlig zerstört. Und die einzig tragenden Bauteile, die halbwegs erhalten sind, befanden sich im Inneren des Hauses. Das Feuer muss sich von außen vorangearbeitet haben, in das Gebäude hinein. In der Regel ist es genau umkehrt. Und schaut Euch das hier an.«
Er hob ein Stück eines verkohlten Dachbalkens auf und reichte es Sano, der auf Anhieb die öligen Rückstände auf jenem Teil des Balkens bemerkte, der von den Flammen verschont geblieben war. »Lampenöl«, sagte er. Sein Herz schlug schneller, und greller Zorn loderte in ihm auf.
»Über das Dach verschüttet.« Der Feuerwehrhauptmann nickte. »Und dann angezündet.«
Also war der befürchtete Angriff doch noch erfolgt, wenngleich auf eine Art und Weise, mit der Sano niemals gerechnet hätte. Die Welt um ihn herum schien sich zu verdüstern, als der Albtraum seiner bisherigen Nachforschungen von neuem begann. Seinetwegen waren neun unschuldige Menschen gestorben, darunter der einzige Freund, den er in Nagasaki gehabt hatte. Hätte er den Abschiedsbrief Pfingstroses als echt akzeptiert, hätte er sich nach seiner Festnahme in sein Schicksal ergeben, würden die neun Menschen noch
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