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Die Spur des Verraeters

Die Spur des Verraeters

Titel: Die Spur des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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wuchs. Um das Rätsel um die Ermordung eines so verdorbenen, grausamen Mannes zu lösen, hatte Sano alles riskiert! Aber er durfte sich nicht von seiner Abneigung gegenüber einem Mordopfer leiten lassen. Sein Urteil durfte nicht davon beeinflusst werden; ebenso wenig durfte er die Tat eines Verdächtigen entschuldigen, der ihm sympathisch war.
    »Ich frage Euch noch einmal«, sagte er. »Wo wart Ihr in der Nacht, als Jan Spaen verschwunden ist?«
    Dr. Huygens trat einen Schritt zurück, hielt Sanos Blick aber tapfer stand. »Ich war in mein Zimmer. Habe geschlafen. Ich nicht habe Spaen ermordet.«
    »Habt Ihr Waren aus einem Lagerhaus auf Deshima in eine Höhle an der Felsküste geschmuggelt?«
    »Nein!«, rief Huygens. »Nein! Ich kein Schmuggler. Ich kein Mörder!«
    Schwerfällig ließ er sich vor Sano auf die Knie fallen und rang in einer flehenden Geste die Hände. »Freund«, sagte er und brach in Tränen aus. »Tut mir Leid, dass ich Euch nicht erzählt habe, was Spaen mir angetan hat. Aber ich ihn nicht hab ermordet. Und ich weiß nichts von Schmuggel. Bitte, glauben. Bitte, verzeihen.«
    Vor Enttäuschung und Zorn stieß Sano den Atem aus. Zwar gab es keinen direkten Beweis dafür, dass Dr. Huygens mit dem Mord an Jan Spaen und den Schmuggeleien zu tun hatte, doch Sano war nun von der Schuld des Arztes überzeugt. Schon einmal hatte Huygens, wenn auch in betrunkenem Zustand, einen Menschen getötet. Wenn er sich nicht grundlegend geändert hatte, war er auch zum Mord an Jan Spaen fähig gewesen. Und dass er Sano belogen und sich mit Spaen geprügelt hatte, sprach gegen eine grundlegende Wandlung seines Wesens. Sano seufzte. Niemals hätte er einem Barbaren vertrauen dürfen. Ihre Welten, ihre Werte waren zu verschieden von denen eines Japaners.
    Wieder stand Sano ohne Beweise da. Und die Zeit rann ihm durch die Finger. Wenn er nicht bald handfeste Ergebnisse vorweisen konnte, würden er und Hirata ihr Leben und ihre Ehre verlieren.
    »Ich muss gehen«, sagte er.
    Er nahm dem bewusstlosen Wachsoldaten den Helm, die Beinschienen und das Langschwert ab; dann zog er ihm den Waffenrock und den Umhang aus, streifte seine eigenen nassen Sachen ab und legte die gestohlene Uniform an. Sein Kurzschwert behielt er. Der Wachsoldat war größer als Sano, sodass ihm die Sachen ziemlich weit waren; aber er brauchte diese Verkleidung. Schließlich wuchtete er den Körper des bewusstlosen Wachsoldaten in einen leeren Schrank, warf auch das Seil mit dem Haken hinein und schloss die Tür.
    »Wenn jemand kommt, dann sagt ihm, der Wachposten sei nach draußen gegangen«, sagte Sano zu Huygens, der so eifrig nickte, als wollte er sich bei Sano revanchieren.
    Sano schlüpfte zur Hintertür hinaus.

30.

    D
    as Gesicht zum Teil vom Visier und den Seitenklappen des gestohlenen Helms verdeckt, überquerte Sano den Hof. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er auf dem Weg zum Tor an den drei kartenspielenden Wachposten vorüberkam und ihnen zunickte. Sie schauten kurz zu ihm hoch und erwiderten die Geste. Sano atmete auf; das erste Hindernis war überwunden. Er öffnete das Tor, hinter dem der Weg begann, der zwischen den beiden Zäunen hindurch um die Insel führte.
    Seine Nerven lagen bloß, als er durch das Tor ging und auf den Rundweg gelangte. Falls ihm hier jemand entgegenkam, konnte der Betreffende ihm genau ins Gesicht schauen und ihn auf Anhieb als unbefugten Eindringling erkennen – und zwischen den beiden Zäunen gab es keine Möglichkeit zum Ausweichen. Was also würde Sano anderes übrig bleiben, als einen entgegenkommenden Wachsoldaten notfalls zu töten und der langen Liste seiner Verbrechen einen Mord hinzuzufügen?
    Sano eilte um eine Biegung des Kieswegs, als er plötzlich forsche Schritte hinter sich hörte, die rasch näher kamen. Erschreckt schritt er schneller aus, bis zu seiner Linken das Tor erschien, das er gesucht hatte. Sano schlüpfte hindurch und gelangte in den Garten des Wohngebiets der Offiziere und Beamten auf Deshima. Weit und breit war keine Wache zu sehen; weil die Barbaren in ihren Gemeinschaftsraum eingesperrt waren und sämtliche Zugänge zur Insel streng bewacht wurden, hatte man die Sicherheitsmaßnahmen in diesem Bereich Deshimas offenbar gelockert.
    Hinter einem Zierteich und mehreren Bäumen war das zweistöckige strohgedeckte Wohnhaus von Kommandant Ohira zu sehen; Sano erinnerte sich noch von seinem ersten Besuch an die ausgedehnte Veranda vor dem Eingang und den großen Balkon an der

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