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Die Staatsanwältin - Thriller

Die Staatsanwältin - Thriller

Titel: Die Staatsanwältin - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hänssler-Verlag
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Begnadigungsausschuss anzuklopfen. Sie hatten ihn schon vor vier Monaten abgewiesen. Aber wenn Mace eidesstattliche Erklärungen von beiden überlebenden Familienmitgliedern bekommen konnte …
    Er hatte sich mit Jamie für sieben Uhr morgens in der Bibliothek der Southeastern Law School verabredet. Er durfte sein Büro nicht mehr benutzen, und so hatte er wie ein Erstsemester seine Bücher, Papiere und den Laptop an einem Arbeitsplatz in den Tiefen der Gänge zwischen den Bücherregalen ausgebreitet. Er freute sich nicht auf eine weitere Nacht mit Kaffee und Red Bull, in der er Anträge und Schriftsätze aufsetzte, die nie gelesen wurden.

    Als ich am Sonntagmorgen an Professor James' Arbeitsplatz ankam, lag sein Kopf auf der Tischplatte, die Arme daruntergeklemmt, und er schlief tief und fest. Die Schreibtischlampe schien ihm auf den kahlen Kopf, und er schnarchte laut genug, dass das Echo von den Bücherregalen zurückgeworfen wurde.
    Ich rüttelte ihn an der Schulter. Nichts. Ich rüttelte ein bisschen fester,und sein Kopf schoss hoch. Er rieb sich mit den Händen übers Gesicht und schüttelte den Kopf wie ein nasser Hund.
    Â»Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte er mit heiserer Stimme. Er sah auf die Uhr und schaute mit blutunterlaufenen Augen zu mir auf. »Wie wäre es mit Kaffee in der Mensa?«
    Â»Gern.«
    Die Mensa war geschlossen, aber aus den Getränkeautomaten kam Kaffee, pechschwarz und dickflüssig wie Öl, und Professor James ließ sich eine große Tasse einlaufen. Ich hielt mich an den Orangensaft aus einem anderen Automaten. Wir setzten uns an einen Tisch, und James schlürfte seinen Kaffee. Dampf stieg von der Tasse auf.
    Er sah aus wie der Tod. Er hatte dunkle Ringe unter den blutunterlaufenen Augen und hatte sich wahrscheinlich seit drei Tagen nicht mehr rasiert. Er trug ein schwarzes T-Shirt und eine kurze Sporthose, und er roch wie eine Männerumkleidekabine.
    Â»Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass Sie gekommen sind«, sagte er. »Ich hätte ehrlich gesagt nie gedacht, dass ich einmal eine Chance bekommen würde, unter vier Augen mit Ihnen zu sprechen.«
    Er nahm noch einen Schluck Kaffee, und ich spürte, dass er gerade erst warm wurde. »Ich konnte Ihnen nie sagen, wie leid es mir tut, dass Sie Ihre Mutter und jetzt auch Ihren Vater verloren haben«, fuhr er fort. Seine Augen waren noch immer halb geöffnet, aber sie strahlten Mitgefühl aus. »Es tut mir leid, dass ich den Mann vertrete, der als Mörder Ihrer Mutter gilt, und ich kann verstehen, wenn Sie mich dafür verachten. Aber irgendwer muss es tun. Und ich habe Sie beobachtet, wenn Sie Fälle für die andere Seite verhandeln. Ich weiß, dass Sie mit mir einer Meinung sind: Wenn man etwas tut, sollte man es mit ganzem Einsatz tun.«
    Â»Sie machen Ihren Job«, sagte ich. »Das muss mir nicht gefallen.«
    Â»Das erwarte ich auch gar nicht von Ihnen. Aber ich weiß auch, dass Sie nicht hergekommen sind, nur um mir eine Predigt zu halten.«
    Mir war dieser Mann egal, und seine Entschuldigung änderte daran wenig. Ja, er musste seine Arbeit machen. Aber das bedeutete nicht, dass er Zeugen bedrohen und verprügeln musste, nur um ihnen eine Lüge abzupressen. Dennoch hatte er recht – ich war nicht aus Respekt voroder Abscheu gegen Mace James hier. Ich war hier, weil ich mir selbst in die Augen sehen wollte.
    Â»Ich bin bereit, eine eidesstattliche Erklärung zu unterzeichnen und darum zu bitten, dass die Strafe Ihres Mandanten von der Todesstrafe in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt wird. Ich bin nicht so leichtgläubig wie Chris, und ich glaube keine Sekunde, dass Ihr Mandant ein geläuterter Mensch ist. Aber ich schätze es, dass er die Verantwortung für sein Verbrechen auf sich nimmt. Das sollte honoriert werden.«
    Professor James sah mich einen Moment an; in seinem verschlafenen Blick lag Ungläubigkeit. Schließlich war ich die kaltblütige Staatsanwältin, in deren Adern Gerüchten zufolge Eis floss. James glaubte wahrscheinlich, Chris habe mich moralisch verpflichtet, das zu tun. In Wahrheit schien es mir der einzige Ausweg.
    Ich konnte Mace James nicht von den Beweisen erzählen, die Richterin Snowden belasteten, ohne meinen Job zu riskieren. Außerdem wollte ich nicht, dass Antoine Marshall einen neuen Prozess bekam. Gleichzeitig konnte ich mich nicht einfach

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