Die Staatsanwältin - Thriller
meine tägliche Zahl an Händen zu schütteln. Hier, setzen Sie sich.«
Er rückte ein paar Bücher beiseite, und ich zog mir einen Liegestuhl heran. Ich trug Shorts und ein Trägershirt und trat meine Flip-Flops von den Füßen. Es fühlte sich gut an, draußen in der Sonne zu sein.
»Es ist schön hier draußen«, sagte ich.
Masterson sprach ein paar Minuten über den Freund, der ihn sein Seehaus benutzen ließ, und dass ihm das Jagen und Angeln half, in Balance zu bleiben. Er warnte mich, vorsichtig zu sein – mein Leben würde von der Juristerei aufgefressen, wenn ich mir nie Zeit nahm, um an Rosen zu riechen. »Sie glauben, Sie seien unentbehrlich«, sagte er. Ich hatte das Gefühl, er sprach mehr über einen jüngeren Bill Masterson als über mich. »Sie glauben, Sie sind Supermann. Aber wenn Sie älter werden, verbrennen Sie sich ein paarmal die Finger und werden ziemlich zynisch. Dann kann zweierlei passieren. Entweder Sie werden davon besessen, die Bösen wegzusperren, und fangen an zu pfuschen, um das zu erreichen, oder Sie winken ab und sagen: ›Was bringt's?‹ Sie fühlen sich, als versuchten Sie, das Meer mit einem Teelöffel leerzuschöpfen. Ich habe eine Menge gute Staatsanwälte gesehen, die entweder die Grenzen überschritten haben oder ausbrannten.«
Der Boss blickte aufs Wasser hinaus und sprach in seinem breiten Südstaatenakzent. Zum ersten Mal bemerkte ich das Bier auf der anderen Seite seines Stuhls. »Ich will nicht, dass Ihnen das passiert, Jamie.«
Es hätte mir leichtfallen müssen, ihm zu versichern, dass das nie passieren werde, aber ich war mir da nicht mehr so sicher. Grenzen, die einst klar ausgesehen hatten, begannen schon zu verschwimmen.
»Eigentlich bin ich genau deshalb hier. Ich muss mit Ihnen über Caleb Tates Fall sprechen, und es muss jetzt sein, denn meine Informationen könnten Auswirkungen auf Antoine Marshalls Hinrichtung haben.«
Der Boss legte ein Buch weg und nahm einen Schluck von seinem Bier. »Okay. Schießen Sie los.«
Es stellte sich heraus, dass es ein guter Ort war, um ihm alles zu erzählen, was in den letzten Wochen passiert war. Es gab keine Unterbrechungen. Keine Smartphones summten und lenkten den Boss ab. Keine Computerbildschirme, auf die man Blicke werfen konnte. Ich erzählte ihm von der Anhörung vor dem Berufungsgericht von Georgia und von Caleb Tates Drohung. Von meiner Suche in der Datenbank und meiner Entdeckung, dass mein Vater und zwei andere Strafverteidiger ungewöhnlich oft Erfolg in Richterin Snowdens Verhandlungen gehabt hatten. Ich ließ meine Gespräche mit L. A. und Gillespie aus, erzählte dem Boss aber, dass ich seit Wochen damit rang, ob ich etwas sagen sollte.Jetzt, wo Antoine Marshalls Hinrichtung nur noch ein paar Tage entfernt sei, könne ich diese Informationen nicht länger für mich behalten.
Mit jedem Satz spürte ich, wie sich die Last dieses Geheimnisses, das mich seit zwei Monaten niederdrückte, langsam hob. Teilweise mochte es am Tag oder der Umgebung liegen, aber es fühlte sich unbestreitbar richtig an, mit meinem Boss darüber zu reden. Ich wusste, dieser Schritt war unwiderruflich und dass Masterson, wenn er die Information erst hatte, etwas damit tun musste. Und ich wusste, wenn ich ehrlich war, dass das das Ende für den guten Ruf meines Vaters bedeuten würde. Aber Dr. Gillespie hatte recht – wenn ich diese Information nicht weitergab, würde es das Ende meiner Überzeugung und meiner Identität bedeuten.
Masterson zeigte keine Regung, selbst als ich ihm ausführlich die Statistiken beschrieb, die meinen Dad betrafen. Er hatte ein paar Fragen über die Erfolgsrate meines Vaters bei anderen Richtern und ob das vielleicht nur Ausreißer sein könnten – dieselben Fragen, die ich mir bereits selbst ausführlich beantwortet hatte.
Dann nahm er die Sonnenbrille ab und rieb sich eine Minute lang das Gesicht, tief in Gedanken versunken. Er meinte, es knabbere etwas an seiner Schnur, sprang eilig auf, riss die Angel hoch und holte die Schnur ein.
»Nichts«, sagte er. Er warf sie wieder aus, bevor er sich hinsetzte.
»Ich wünschte, Sie hätten früher etwas gesagt«, sprach er weiter. »Aber es war richtig, dass Sie vor der Hinrichtung zu mir gekommen sind.«
Er beugte sich vor und schaute wieder über den See. »Es liegt jetzt in meiner Hand, Jamie. Ich kann Entscheidungen treffen, die Sie nicht treffen können, ohne dass man Ihnen vorwirft, Ihren Vater schützen und dafür sorgen zu wollen, dass der
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