Die Staatsanwältin - Thriller
dass sich Antoine Marshall, nachdem er die Testresultate bekommen hatte, in einem Brief bei der Familie des Opfers entschuldigt habe. Die Reporter spekulierten jetzt, dass dieses Schuldeingeständnis eine Saite in mir zum Klingen gebracht und meine Kehrtwende in der Frage ausgelöst hatte, ob Marshall hingerichtet werden oder Lebenslänglich ohne Bewährung bekommen sollte.
Ich war darauf vorbereitet, von meinen Kollegen heftig getadelt zu werden, aber stattdessen erhielt ich Lob von anderen Staatsanwälten, die mein Recht verteidigten, im Privatleben Gnade zu zeigen, obwohl ich für die Todesstrafe eintrat, wenn ich andere Opfer vertrat. Ihr Lob wurde von den Gegnern der Todesstrafe aufgegriffen, die mich mit offenen Armen auf der Seite der Guten begrüßten. Währenddessen änderten sich meine eigenen Gefühle ständig. Regina hatte recht gehabt, als sie mich nach Hause schickte.
Meine Fähigkeit, logisch und nüchtern über dieses Thema nachzudenken, war verschwunden. So vollständig, dass ich am Montag um fünf Uhr nachmittags, als der Begnadigungsausschuss den Antrag auf Strafmilderung ablehnte, in eine Abwärtsspirale geriet. Obwohl Mace James immer noch sechsundzwanzig Stunden hatte, um ein Wunder aus dem Hut zu ziehen, wusste ich, dass es diesmal nicht passieren würde.
Ich spürte, wie ein Tsunami der Schuld mich fortriss. Ich hatte nicht nur die Informationen über die Erfolge meines Vaters in Richterin Snowdens Gerichtssaal zurückgehalten – ich hatte auch noch die Information über Antoine Marshalls Geständnis durchsickern lassen. Ich hatte es in der Annahme getan, dass der Begnadigungsausschuss die Umwandlung in eine lebenslange Strafe gewähren würde. Ich wollte, dass jeder wusste, dass in diesem Fall trotzdem kein Zweifel an Antoine Marshalls Schuld bestand. Aber jetzt, wo seine Hinrichtung sicher war, fiel es mir schwer, mit meiner eigenen Rolle in der ganzen Sache zurechtzukommen.
Aber warum fühlte ich das jetzt anders als vor vier Monaten?
Die Antwort auf diese Frage war das, was ich verzweifelt zu ignorieren versuchte: Vor vier Monaten hatte ich noch keine Zweifel an Antoine Marshalls Schuld gehabt. Aber jetzt, selbst nach dem BEOS-Test, bekam ich eine nagende Frage nicht aus dem Kopf.
Was, wenn sich mein Vater geirrt hat? Es gab keine DNS-Beweise. Keine Mordwaffe. Nichts, was die Zeugenaussage eines Mannes stützte, von dem ich mir nicht mehr sicher war, ob ich ihn wirklich kannte. Falls er bereit gewesen war, eine Richterin zu bestechen oder zu erpressen, war er dann auch bereit gewesen, seine Aussage zu fälschen, damit seine Identifizierung überzeugender aussah?
Nicht mein Vater. Er war immer fair und barmherzig gewesen. Nie hätte mein Vater die Wahrheit verschleiert, wenn dadurch ein Mensch in den Todestrakt kam.
Aber mein Vater hätte auch auf keinen Fall eine Richterin unzulässig beeinflusst. Und was war mit diesen Sachverständigen, die Snowden von der Aussage abgehalten hatte? Dr. Rutherford hatte auf mich ziemlich überzeugend gewirkt.
Und so würde ich gezwungen sein, der Hinrichtung von Antoine Marshall beizuwohnen, während mir diese Zweifel im Kopf herumwirbelten. Hatte mein Vater einen unschuldigen Mann in die Todeszelle gebracht? Und falls ja – hatte ich diesem Mann gerade die letzte Chance auf Rettung genommen?
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Die Nachrichten über Antoine Marshalls Hinrichtung wurden am Dienstagmorgen von der Neuigkeit in den Hintergrund gedrängt, dass am Kammergericht von Milton County ein Deal geschlossen worden war. Ein Mann, der wegen bewaffneten Raubs angeklagt war, hatte sich im Austausch gegen eine verkürzte Gefängnisstrafe schuldig bekannt. Er war an einen geheimen Ort in einem anderen Teil des Staates gebracht worden, um dort seine Zeit abzusitzen, und Bill Masterson hatte eine Pressekonferenz abgehalten, um zu verkünden, dass die Blockade durchbrochen worden war. Der Gefangene mit Namen Latrell Hampton hatte trotz Strafmilderung noch anderthalb Jahre abzusitzen, und alle fragten sich, ob er lange genug überleben würde, um seine Freilassung zu erleben.
Masterson klang davon überzeugt: »Ich kann Ihnen versichern, dass er sicher in Einzelhaft untergebracht ist. Er wird bis zum Ende seiner Haftzeit nicht mit den normalen Häftlingen in Kontakt kommen. Das können wir zwar nicht für jeden Gefangenen tun, der sich schuldig bekennt, aber wir können besondere Vorkehrungen für alle Mutigen treffen, die als Erste aus der Reihe
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