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Die Staatsanwältin - Thriller

Die Staatsanwältin - Thriller

Titel: Die Staatsanwältin - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Randy Siger
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Licht. Dinge, die mir vorher lauter und sogar nobel erschienen waren, ließen jetzt weniger Gutes ahnen, falls Caleb Tate die Wahrheit sagte.
    In den ersten Tagen, nachdem ich mit Tate gesprochen hatte, hatte ich mich geweigert, auch nur über die Möglichkeit nachzudenken, dass mein Vater korrupt gewesen sein könnte. Auch nachdem ich die Ergebnisse seiner Fälle geprüft hatte, wollte ich weiterhin glauben, dass es eine unantastbare Erklärung dafür geben musste. Doch im Lauf der Woche hatte ich mich dabei ertappt, wie ich Ereignisse aus meiner Vergangenheit wieder aufleben ließ und sie durch das Prisma dieses neuen Wissens ansah. Und ich begann mich zu fragen, ob mein Dad vielleicht einige sehr dunkle Geheimnisse gehabt hatte.
    Ich erinnerte mich zum Beispiel an ein besonders schmerzliches Gespräch in einem Chinarestaurant während meines ersten Studienjahres am College. Ich hatte gerade die Wan Tans mit Huhn bestellt, mein Vater aß gebratenen Reis mit Rind. Mein Bruder war auch da. Ich war über die Winterferien zu Hause, und ich hatte beschlossen, Jura zu studieren und Staatsanwältin zu werden.
    »Wie kannst du immer noch Strafverteidiger sein, nachdem, was Mom passiert ist?«, fragte ich meinen Vater.
    Chris verzog das Gesicht. Mein Dad und ich sprachen immer offen miteinander, aber Chris mochte keine Konflikte in der Familie.
    Mein Vater legte seine Gabel hin und wischte sich den Mund ab. »Gute Frage. Und ich bin mir nicht sicher, dass ich dich mit irgendeiner Erklärung überzeugen werde, dass es das Richtige ist, aber du solltest zumindest wissen, dass ich viel darüber nachgedacht habe …« Er zögerte, dann fügte er hinzu: »… und viel darüber gebetet.«
    »Deine Mutter hat sich in mich verliebt, als ich schon Strafverteidiger war. Auch nachdem wir geheiratet hatten, sagte sie in Prozessen als Gutachterin für beide Seiten aus. Am meisten hat es ihr Spaß gemacht, mitmir zusammenzuarbeiten, um jemanden zu verteidigen, der unschuldig war. Ich weiß, du willst deine Mom ehren, indem du Staatsanwältin wirst, Jamie, und ich finde das sehr nobel. Aber ich hoffe, du kannst erkennen, dass auch auf der anderen Seite hohe Ideale stehen.«
    »Theoretisch sehe ich das schon«, hatte ich gesagt und einen Bissen von meinem Essen genommen. »Aber wann hast du das letzte Mal wirklich einen Unschuldigen verteidigt?«
    »Und los geht's«, sagte Chris.
    Mein Dad nahm ebenfalls sein Essen in Angriff und begann wie immer zu reden, bevor er schluckte. Und diese Antwort ging mir jetzt im Kopf herum. »Es gibt keine wirklich unschuldigen Menschen, Jamie. Das Böse liegt uns in der Natur. Manche lernen, die bösen Impulse zu kontrollieren. Andere nicht. Ich vertrete diejenigen, die es nicht können. Aber sie unterscheiden sich in Wahrheit nicht allzu sehr von uns.«
    »Also sind Antoine Marshall und Chris im Grunde derselbe?«, fragte ich. Ich ging auf Nummer sicher und benutzte meinen Bruder als Beispiel für Unschuld, angesichts meiner eigenen bewegteren Vergangenheit.
    »Also, im Grunde ja«, sagte Chris und wurde zum angehenden Prediger. »Wenn du die Bergpredigt liest, sind wir das. Jeder, der wütend auf seinen Bruder ist, ist wie ein Mörder. Und wenn ich eine Frau begehrlich ansehe, habe ich schon Ehebruch begangen. Dad hat aus der theologischen Perspektive gesehen recht. Wir sind alle schuldig, wenn du unsere Herzen ansiehst.«
    Ich liebte meinen Bruder. Aber damals, nach dem ersten Jahr seiner theologischen Ausbildung, liebte er es zu predigen. »Bei allem Respekt«, sagte ich, »ich habe es mehr mit dem Alten Testament, wenn es um Gerechtigkeit geht. Seine Kinder sollen zu Waisen werden und so.«
    »Lustig«, sagte mein Dad, »als Teenager schienst du dich mehr für Barmherzigkeit zu interessieren.«
    Während der Highschool hatte ich ein paar Mal Hausarrest gehabt. Na gut, ziemlich oft. Aber das war etwas anderes.
    »In unserem Debattierklub nennt man das einen persönlichen Angriff, Dad.«
    Die Worte meines Vaters hatten mich an diesem Abend nicht überzeugt, aber ich dachte während meines Jurastudiums ernsthaft über sienach. Ich beobachtete seine Arbeit aus der Ferne und bewunderte, wie er seine Mandanten vertrat. Und ich hatte, zumindest mit der Zeit, gelernt zu akzeptieren, dass das seine eigene Art war, meine Mom zu ehren.
    Aber jetzt musste ich die Frage stellen. Konnte es sein, dass mein Vater Teil eines korrupten Systems gewesen war? Schon allein bei dem Gedanken fühlte ich mich wie eine

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