Die Staatsanwältin - Thriller
Verräterin. Wie konnte ich an meinem eigenen Vater zweifeln? Aber wie sonst hätte man die Statistiken interpretieren können?
Als mein Vater starb, hatte ich mich gefühlt, als hätte mir jemand das Herz herausgerissen. Ein Teil von mir war mit ihm gestorben. Doch wie Chris gesagt hatte: Ich hatte zumindest noch die Erinnerungen.
Jetzt war ich mir da nicht mehr so sicher. Ich hatte das Gefühl, als fräße der Krebs an meinen Erinnerungen und verwandelte jeden glücklichen Moment in etwas Düsteres. Es war schwer genug, die Liebe eines Vaters zu verlieren. Es war noch schwerer, auch noch das Vermächtnis einer Familie zu verlieren.
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50
Am Memorial Day brachte die Atlanta Times eine Titelstory über das Chaos im Justizsystem von Milton County. Zum ersten Mal brachte ein Bericht die Tode von Ronald Powell, Rontavius Eastbrook und Jimmy Brandywine mit dem Keine-Deals-Pakt unter den Verbrechern in Verbindung.
In dem Artikel wurde oft eine »Quelle mit Verbindungen zu Staatsanwaltschaft und Polizeibehörden in Milton County« zitiert, und ich wusste, das musste L. A. sein.
Die Quelle wies darauf hin, dass die Deals mit der Staatsanwaltschaft direkt nachdem Caleb Tate ein paar Tage im Gefängnis verbracht habe, durchgefallen waren. Tates Kanzlei vertrete jetzt die Anführer der beiden mächtigsten Gangs. Der Autor gab an, Tate sei kein Verbrechen außer dem Mord an seiner Frau vorgeworfen worden, aber jeder mit halbwegs Verstand konnte den Artikel lesen und die Zusammenhänge herstellen.Es waren dieselben Zusammenhänge, die L. A. und ich hergestellt hatten, nachdem die Häftlinge ihre Rebellion gestartet hatten.
Ich rief L. A. an. »Hübscher Artikel«, sagte ich.
»Es gibt einen Artikel? In der Zeitung von heute?«
»Genau.«
Er lachte. »Willst du damit andeuten, ich sei die ungenannte Insiderquelle? Glaubst du wirklich, ich würde Caleb Tate so viel kostenlose Werbung verschaffen? Sein Telefon raucht wahrscheinlich schon vor Anrufen potenzieller Mandanten.«
Es gab Gerüchte, L. A. habe etwas mit einer der Reporterinnen bei der Zeitung am Laufen. Doch andererseits gab es Gerüchte über L. A. und Techtelmechtel mit so ungefähr jedem.
»Hast du etwas Konkretes ausgegraben, das ihn mit den drei Morden aus dem Artikel in Verbindung bringt?«, fragte ich ihn.
»Noch nicht. Aber wenn, dann erfährst du es als Erste.«
Am nächsten Tag erhielten alle im Büro ein Memo von Bill Masterson. Das Thema: unsere neue Reaktion auf die Deal-Krise.
Ich gebe heute eine Pressekonferenz und kündige eine Strategieänderung für den Umgang mit der Krise im Rechtssystem von Milton County an. Ich will, dass Sie es zuerst von mir erfahren.
Wie Sie wissen, hat das Ermächtigungsgesetz, das es mir erlaubte, Anwälte von Privatkanzleien einzustellen, zu nichts geführt. Folglich werden wir eine andere Herangehensweise wählen.
Zunächst einmal müssen wir das Personal aufstocken. Zehn große Kanzleien in der Region Atlanta haben sich bereit erklärt, einen ihrer Mitarbeiter für ein halbes Jahr zur Verfügung zu stellen. Das bedeutet, die Kanzlei bezahlt das Gehalt dieses Mitarbeiters, aber er oder sie wird bei der Staatsanwaltschaft Milton County angestellt und uns rechenschaftspflichtig sein. Ein ähnliches Arrangement wurde mit zehn weiteren Kanzleien getroffen, dieim Büro der Pflichtverteidigung aushelfen werden. Wir brauchen keine Ermächtigungsgesetze dafür, denn sie werden als Angestellte behandelt, nicht als Freiwillige.
In zwei Wochen, wenn diese Anwälte geschult sind, werden sie für einen Großteil der Vergehen zuständig sein. Dennoch steigert das unsere Arbeitskraft um nur 25 Prozent, während die Zahl unserer Fälle um 900 Prozent gestiegen ist. Und diese neuen Anwälte werden mehrere Wochen brauchen, bis sie die Verbrechensfälle bearbeiten können. Was mich zu Teil zwei des Plans bringt.
Ab sofort sollten Sie alle Ihre Fälle aussortieren. Wir können nicht weiterhin alle Fälle verfolgen, die über unsere Schreibtische gehen. Setzen Sie Prioritäten. Widmen Sie Ihre Aufmerksamkeit gewalttätigen Mehrfachtätern und bekannten Bandenchefs. Lassen Sie die kleinen Gauner und die ungefährlichen Straftäter laufen.
Was uns zu Punkt drei bringt. Eine große Herausforderung ist für uns im Moment die Überfüllung unserer Gefängnisse. In den letzten Tagen wurden drei Bundesklagen eingereicht, in denen behauptet wird, das Gefängnis sei so überfüllt, dass die Haft ein
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