Die Staatskanzlei - Kriminalroman
gewesen. Sie war es nicht. Zwar besaß Jana einen deutschen Pass, aber das machte sie in Milners Augen noch lange nicht zu einer Deutschen. Sie war in Bukarest geboren, hatte sich als Nutte zum Callgirl für besonders brisante Einsätze und zu einer seiner Vertrauten hochgearbeitet.
Endlich hörte er den Summer der Wohnungstür und kurz darauf die raue Stimme seines zweiten Bodyguards. Die Nummer eins hielt sich in Hannover auf. Die Angelegenheit Hollmann duldete keinen Aufschub mehr. Milner hatte keinen Zweifel, dass er seinen Job gut machen würde, im Gegensatz zum Heißsporn Mahow.
Kurz darauf stand seine Besucherin vor ihm. Die Begrüßung fiel aus, stattdessen motzte er sie an. „Wo bleibst du, ich habe meine Zeit nicht gestohlen!“
„Tut mir leid, eine Straßensperre in Berlin, irgendein hoher Staatsgast.“
Sie stolzierte auf ihren hochhackigen Stiefeln zur Bar. „Darf ich mir einen Sherry einschenken? Mir ist flau im Magen.“
„Wenn es sein muss, und dann rede endlich. Wie ist es mit Wagner gelaufen? Weiß er etwas?“
Sie schenkte sich das Glas halb voll und ging zu dem Sofa, auf das er sich breitbeinig hingefläzt hatte. Als sie sich neben ihn setzte, rückte er ein Stück von ihr weg. Körperlich stießen alte Frauen ihn ab. Er ekelte sich vor ihnen und für ihn zählten Frauen ab fünfundzwanzig zu den Alten. Marja, seine derzeitige Freundin, war fünfzehn, hatte ihr Freier jedenfalls behauptet. Vermutlich war sie erst dreizehn. Jetzt lebte sie bei ihm, vorerst jedenfalls. Meistens hatte er nach wenigen Wochen die Nase voll und sie langweilten ihn. Die Kleine würde nicht mehr lange bei ihm bleiben, dann hieß es zurück zu ihrem Freier, einem ungehobelten Albaner mit faulen Zähnen und Mundgeruch. Vermutlich würde der sie in eines seiner schmierigen Bordelle stecken.
„Nun sauf hier nicht rum, sondern rede endlich“, forderte er die Frau erneut auf. Sie stellte das Glas auf den Tisch vor sich und sah ihn an. „Viel zu erzählen gibt es nicht. Ich habe ihn angemacht, nachdem ihr Hollmann aus der Bar gelockt habt. Der wird sich gewundert haben, als er in seine Redaktion kam und niemand etwas von dem Anruf wusste. Sag mal, woher wusstet ihr eigentlich, dass die beiden in die Bar vom Maritim Stadthotel kommen würden?“
Milner ignorierte ihre Frage. „Lass Hollmann aus dem Spiel, den Kerl haben wir uns vorgeknöpft. Von dem haben wir nichts mehr zu befürchten“, knurrte er.
Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an. „Ihr habt den Journalisten doch nicht kaltgemacht?“
„Und wenn, was geht dich das an? Halt dich aus meinen Geschäften raus und erzähl endlich.“
Sie stellte das leer getrunkene Glas ab. „Ich habe ihn überredet, mich nach Hause zu bringen. Habe eigens ein Appartement gemietet. Selbst in seinem alkoholisierten Zustand wäre ein Hotelzimmer ihm wahrscheinlich komisch vorgekommen. Er hat sich übrigens ziemlich geziert, war gar nicht so einfach, ihn rumzukriegen. Erst nach mehreren Drinks hatte ich ihn so weit, dass er mitgekommen ist.“
„Du wirst alt, Jana.“ Aus seiner Stimme klang Verachtung.
„Ich bin sechsunddreißig.“
„Sag ich doch, uralt. Lange wirst du deinen Job nicht mehr machen können.“
„Nicht alle Männer sind wie du, Boris. Meine Kunden sind zufrieden mit mir. Wagner war ziemlich betrunken, aber immer noch nüchtern genug, um meine Fragen zu beantworten. Deinen Namen kannte er. Auch dass du in Niedersachsen als Investor groß im Geschäft bist, wusste er. Mehr nicht, nur das.“
„Wirklich nur das, hast du ihm auf den Zahn gefühlt?“
„Was denkst du, was ich getan habe? Abgesehen von den Firmenbeteiligungen weiß er nichts. Nachdem ich ihn ausgequetscht hatte, habe ich K.-o.-Tropfen in den Rotwein gegeben. Am nächsten Morgen war er total durch den Wind, konnte sich an nichts erinnern.“
Boris Milner fixierte sie. Mit dem Blick, der auch Hartgesottenen Angst machte. Sie wusste, dass sie sich keinen Fehler erlauben durfte. Und sie wusste auch, dass sie ihm ihre Angst niemals zeigen durfte. Boris roch Angst meilenweit gegen den Wind. Ängstliche Menschen waren ihm suspekt, gerieten nur zu schnell auf seine Abschussliste.“
„Du bist also ganz sicher, dass die Landesregierung von dem Klinikprojekt nichts weiß?“
Sie stellte das leere Glas auf den Tisch vor sich. „Ich sage es noch einmal: Sie wissen nur, dass du dich in Niedersachsen überall einkaufst, mehr nicht.“
Also hatte die Beamtin die Wahrheit gesagt,
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