Die Stadt der gefallenen Engel
doch Damian erkannte, dass es sinnlos sein würde, Lara umstimmen zu wollen. Trotz ihres noch immer zitternden Körpers stand ihr wilde Entschlossenheit ins Gesicht geschrieben. Also nahm er ihre Hand und zog sie mit sich zu einer Bank. Als sie sich hingesetzt hatten, begann er zu erzählen.
Lara versuchte, sich auf Damians Worte zu konzentrieren. Leise sprach er zu ihr und sie hatte das Gefühl, als würde der Bahnsteig verschwinden und Platz für eine andere Zeit, einen anderen Ort machen.
»Ich bin kein Mensch, kein Dämon und auch nicht der Teufel«, begann er mit ruhiger Stimme. »Ich bin ein gefallener Engel, Lara. Einst haben wir alle an Gottes Seite im Himmel gelebt und ihm gedient. Aber dann erschuf Gott die Menschen und Satan begehrte auf. Satan glaubte, Gott liebe die Menschen mehr als seine Engel. Seine Seele verfinsterte sich und sein Herz füllte sich mit Neid. Satan erhob sich und stürzte den Himmel in einen Krieg unvorstellbaren Ausmaßes, den er schließlich jedoch verlor.«
Lara warf Damian einen drängenden Blick zu, als er kurz innehielt, und er erzählte weiter. »So sind wir gefallen. Unzählige von uns wurden in die Hölle hinabgestoßen – all jene, die Satan vertraut und dadurch Gottes Liebe verraten hatten. Seit Äonen leben wir nun nicht mehr im Licht des Herrn, aber wir dienen ihm auf unsere Weise, denn wir holen die Seele all jener Menschen zu uns, die sich an ihm versündigt haben. Ihre finsteren Seelen werden zu Dämonen.«
Einmal mehr hatte Lara das Gefühl, dass ihre gesamte Welt ins Wanken geriet. Ungläubig klebte sie an Damians Lippen und saugte jedes Wort auf, das er sagte.
»Dämonen sind nicht mehr als Sklaven, aber es haben sich unzählige von ihnen gegen Satan erhoben. In der Hölle tobt seit Jahrzehnten ein Krieg und Satan ist dabei, ihn zu verlieren.« Damian holte tief Luft, bevor er weitersprach. »Sollte das geschehen, Lara, dann steht nichts mehr zwischen den Menschen und den Dämonen. Nichts kann sie dann noch daran hindern, sich dieser Welt zu bemächtigen. Also beschloss Satan, seine Macht neu zu festigen. Er hatte den Plan, mit einem Menschen einen Sohn zu zeugen. Einen Prinzen, der die Kraft beider Welten in sich vereinen sollte, denn auch unsere Macht ist begrenzt.«
Lara verstand nicht, was diese ganze Geschichte mit ihr zu tun hatte. »Und wo komme ich ins Spiel?«, fragte sie Damian verständnislos.
»Deine Großeltern konnten keine eigenen Kinder bekommen und so rief dein Großvater in seiner Verzweiflung Satan an. Und Satan erfüllte ihm seinen sehnlichsten Wunsch. Allerdings verlangte er im Gegenzug, dass man ihm das Kind, das ein Mädchen werden würde, zur Braut gab. So wollte er sicherstellen, dass er eine Mutter für seinen Sohn hatte. Aber es kam anders. Du wurdest geboren.«
Lara schauderte bei dem, was sie da hörte. Eine eiskalte Hand griff nach ihrem Herz und ließ es nicht mehr los.
Sie war Satans Tochter, ein Kind der Hölle.
Die ihr bisher noch fehlenden Puzzleteile schoben sich in die restlichen Lücken. »Satan selbst ist also mein Vater. Ich bin das Kind, das er gezeugt hat – ein Mädchen und deshalb scheinbar wertlos für ihn. Aber welche Rolle spielst du bei der ganzen Geschichte?«
»Satans Plan war gescheitert«, bestätigte Damian Laras Schlussfolgerungen. »Die Dämonen wurden stärker und mächtiger. Und schließlich blieb ihm nur noch ein Hoffnungsschimmer. Ich wurde geschickt, um dich in die Hölle zu führen. Satans Plan sieht vor, dass du am 6.666 Tag deines Lebens deine Kraft mit seiner vereinst, sodass du über die Macht verfügst, seine Herrschaft in die Welt zu tragen. Du sollst an seiner statt über die Menschen herrschen. Und so kam ich in diese Welt. Der Plan war, dein Vertrauen zu gewinnen.«
Der Überfall im Park, schoss es Lara durch den Kopf und sie lachte bitter auf. Das alles war nur gespielt gewesen, damit Damian als der große Retter in der Not auftreten konnte. Und es hatte funktioniert. Sie hatte sich ich ihn verliebt.
»Warum hast du mich nicht einfach gezwungen? Warum dieses Versteckspiel?«
Er sah sie ruhig an. »Je näher der Tag der Machtvereinigung rückt, desto stärker erwacht in dir die Kraft des Bösen. Niemand, nicht einmal Satan selbst, kann erahnen, wie stark diese Kraft bereits ist. Niemals zuvor hat es ein Wesen wie dich gegeben. Die Kraft der dunklen Engel, die Macht der Hölle wächst in dir heran und vielleicht ist diese Macht bereits so stark, dass man dich gar nicht zwingen
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