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Die Stadt der verkauften Traeume

Die Stadt der verkauften Traeume

Titel: Die Stadt der verkauften Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Whitley
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schüttelte den Kopf, dann griff sie neben ihren Stuhl und hob ein in Leder gebundenes Buch auf.
    »Hast du schon einmal ein Buch gesehen?«
    »Nur die, die die Eintreiber hatten …« Mark rutschte verlegen auf seinem Stuhl hin und her. »Mein Vater hat gesagt, sie brauchen sie, um sich über die Schuldner auf dem Laufenden zu halten.«
    »Das hier hat nichts mit Geschäften zu tun«, sagte Lily und hielt es ihm hin.
    Zögernd und mit offenkundiger Neugier berührte Mark den Einband. »Wofür … Wofür ist es dann?«, fragte er.
    Lily blickte auf den dicken Band in ihren Händen. Wie sollte sie eine solche Fragen beantworten? Dieses Buch war seit über drei Jahren ihre einzige Fluchtmöglichkeit, seit der Zeit, als es beinahe in den Ofen geflogen wäre, weil es schlecht gebunden war. Es war das erste Buch gewesen, in dem sie zu lesen gelernt hatte, das erste Buch, das mehr als nur eine weitere Aufgabe für sie gewesen war. Sie kannte jede Geschichte darin auswendig.
    Sie lächelte wehmütig. »Es erzählt einem Geschichten«, sagte sie.
    »Ehrlich?« Mark streckte die Hand aus, aber Lily zog das Buch zurück.
    »Mach zuerst dein Päckchen auf.«
    Mark wandte sich wieder der Schachtel zu. Langsam und nervös ritzte er das feuchte Papier mit einem Fingernagel auf. Das hölzerne Kästchen darin war aufgeweicht.
    »So also wird mein Name geschrieben?«, fragte er und fuhr die Linien von »Mark« nach, die in den Deckel geschnitzt waren.
    »Ja«, antwortete Lily leise. Einen Moment lang erinnerte sie sich daran, wie es ihr ergangen war, einen Monat zuvor, als ihr das Gleiche widerfahren war. Mark klappte den Deckel auf. Er hielt die Luft an.
    »Ist das … Gold?«, fragte er und keuchte ehrfürchtig.
    Lily lachte. »Ich glaube, eher eine Art Messing. Es gibt sie auch in Gold, aber dafür muss man ein bisschen reicher sein als wir.« Sie stand auf und blickte ihm über die Schulter. »Alles Gute zum Eigentag, Mark. Jetzt gehörst du dir selbst.«
    Mark griff in das Kistchen und zog seinen Inhalt heraus. Als er in seiner Hand lag, wirkte er weniger eindrucksvoll: eine flache runde Scheibe auf einem billigen Messingring. Doch in diese Scheibe war etwas eingraviert, etwas, von dem Mark später sagte, er habe es nur ein Mal gesehen, als sein Vater es nach einem besonders guten Fang voller Stolz nach Hause gebracht und als gutes Omen bezeichnet hatte. Es war zwar ein wenig verfremdet, trotzdem konnte man eindeutig die fünf Zacken eines Seesterns erkennen. Mark starrte ihn an. Ein Siegelring.
    »Hast du noch nie einen gesehen?«, fragte Lily.
    »Doch, natürlich, aber …« Mark hielt inne und fuhr den Umriss des Siegels nach. »Ich habe mich immer gefragt, wann ich einen bekommen würde. Sie haben mir gesagt, ich müsse warten, bis ich groß bin, und dass es eine Überraschung sein werde. Mama hat immer traurig ausgesehen, wenn sie es sagte. Von Eigentagen hat sie nie gesprochen … Bei ihren Geschichten ging es immer nur um Hexen und Geister und Städte aus purem Gold … Nichts, was mit der richtigen Welt zu tun hat; aber mir kamen sie immer viel wirklicher vor als alles andere, was ich kannte. Nach ein paar Geschichten hatte ich stets vergessen, wonach ich sie eigentlich gefragt hatte … Ich glaube, deswegen hat sie sie erzählt …« Mark hielt den Ring ins Licht und streifte ihn vorsichtig über den Finger. Lily konnte seinen Gesichtsausdruck nicht sehen, doch seine Summe war kaum mehr als ein Flüstern. »Vater hat seinen immer zwischen seinen Schlafdecken versteckt. Hat ihn nur rausgeholt, wenn er den Fang verkaufen ging. Er hatte Angst, die Nachbarn könnten ihn stehlen. ›Wer den Ring stiehlt, stiehlt die Seele‹, sagte er immer.«
    Mark streckte die Hand aus. »Lily, wie … wie benutzt man ihn?«
    Lily überlegte kurz. Mark musste demnächst seinen ersten Handel tätigen und sein Geschenk zum Eigentag empfangen – selbst der niederste Bettler bekam an seinem Eigentag ein Geschenk. Aber was würde ihm der Doktor geben? Er besaß doch nur seine Werkzeuge und Instrumente, die Mark erst nach jahrelanger Ausbildung würde benutzen können. Und dann, fast ohne dass es ihr aufgefallen wäre, wanderte ihr Blick weiter zu dem Buch in ihren Händen. Sie packte es fester. Es war ihr wichtig, eines der wenigen wichtigen Dinge, die sie je besessen hatte.
    Andererseits, worin lag der Reiz einer Geschichte, die man nicht mit jemandem teilen konnte?
    Sie holte eine Kerze.
    »Ich zeig’s dir. Warte kurz.«
    Nachdem sie eine

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