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Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson

Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson

Titel: Die Stadt und die Sterne - Mit einem Vorwort von Gary Gibson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clarke Arthur C.
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werden, wenn Diaspar es wollte.
    Zuerst jedoch musste die Stadt erkennen, was sie verloren hatte. Ihre Erziehung würde viele Jahre in Anspruch nehmen – vielleicht viele Jahrhunderte. Aber ein Anfang war gemacht; sehr bald würde die Wirkung der ersten Lehrstunde Diaspar so gründlich erschüttern wie die erste Berührung mit Lys.
    Auch Lys würde erschüttert werden. Trotz aller Unterschiede zwischen den beiden Kulturen entstammten sie derselben Wurzel – und sie hatten dieselben Illusionen geteilt. Beide würden sich wieder wohler fühlen, wenn sie mit ruhigem und klarem Blick in eine Vergangenheit schau ten, die sie verloren hatten.

Vierundzwanzig
    Vierundzwanzig
    D as Amphitheater konnte die gesamte Bevölkerung Diaspars aufnehmen, und von den zehn Millionen Sitzplätzen waren nur wenige nicht besetzt. Alvin schaute von seinem Vorzugsplatz ganz oben über die zahllosen Reihen hinweg auf die Arena hinunter und wurde sofort an Shalmirane erinnert. Die beiden Krater besaßen dieselbe Form und beinahe auch dieselbe Größe. Wenn man den Krater von Shalmirane mit Menschen füllte, würde der An blick ein ähnlicher sein.
    Es gab jedoch einen wesentlichen Unterschied zwischen den beiden. Die große Senke von Shalmirane existierte wirklich, dieses Amphitheater dagegen nicht. Es war nur ein Scheingebilde, eine Struktur aus elektronischen Ladungen, die im Gedächtnis des Zentralgehirns geschlummert hatte, bis sie gebraucht wurde. Alvin wusste, dass er sich in Wirklichkeit noch in seinem Zimmer befand und dass die unzähligen Menschen um ihn herum ebenfalls in ihren Wohnungen saßen. Solange er seinen Platz nicht verließ, war die Täuschung vollkommen. Er konnte sich einbilden, Diaspar sei abgeschafft und alle Bürger seien in dieser gewaltigen Arena versammelt.
    Das Leben der Stadt kam nur sehr selten so völlig zum Stillstand, dass alle Bürger zur Großen Versammlung erscheinen konnten. Wie Alvin wusste, spielte sich in Lys zur selben Zeit etwas Ähnliches ab – dort würden Gedanken aufeinandertreffen, aber vielleicht in Verbindung mit einem scheinbaren Aufeinandertreffen von Körpern, das zwar eingebildet, aber in der Einbildung ebenso real war wie die hiesige Versammlung.
    Er konnte die meisten Gesichter gut erkennen, obwohl sie außerhalb seiner normalen Sehweite lagen. Zwei Kilo meter entfernt und dreihundert Meter tiefer befand sich die kleine runde Bühne, auf die sich jetzt die Aufmerksamkeit der ganzen Welt richtete. Es schien kaum glaublich, dass er bei einer derartigen Entfernung etwas erkennen konnte, aber Alvin wusste, dass er sogar die Ansprache ebenso deutlich und klar verstehen würde wie jeder andere in Diaspar auch.
    Die Bühne war von Nebel umhüllt; aus diesem Nebel trat Callitrax, Leiter der Gruppe, die aus den von Vanamonde mitgebrachten Informationen die Vergangenheit rekonstruieren sollte. Es war eine gewaltige, eine fast unmögliche Aufgabe gewesen, nicht allein der riesigen Zeitspannen wegen. Nur ein einziges Mal hatte Alvin mit der geistigen Unterstützung Hilvars einen Blick in den Verstand des seltsamen Wesens tun dürfen, das sie entdeckt hatten – oder von dem sie entdeckt worden waren. Alvin schienen die Gedanken Vanamondes so sinnlos wie tausend Stimmen, die in einer Höhle durcheinanderrufen. Aber die Menschen in Lys konnten sie entflechten, konnten sie aufzeichnen und dann in Ruhe untersuchen. Man flüsterte sich hinter vorgehaltener Hand zu, dass das, was sie sagten, so merkwürdig sei, dass es kaum noch Ähnlichkeit mit der überlieferten Geschichte der Menschheit habe, wie sie seit einer Jahrmilliarde bekannt war.
    Dann ergriff Callitrax das Wort. Wie alle Bürger Diaspars hörte Alvin seine präzise, kristallklare Stimme so nah, als würde sie von einem Punkt unmittelbar vor ihm stammen. Im nächsten Moment stand er direkt neben dem Redner, obwohl er gleichzeitig an seinem alten Platz weit oben im Amphitheater verharrte – ein merkwürdiger, kaum fassbarer Sprung, ähnlich der Geometrie eines Traums, die ebenfalls gegen die Gesetze der Logik verstößt, den Träumenden selbst aber nicht im Geringsten verwundert. Und so wunderte sich auch Alvin nicht über diese paradoxe Situation; er akzeptierte sie widerspruchslos, genauso wie er die Beherrschung von Zeit und Raum akzeptiert hatte, die ihm die Wissenschaft verliehen hatte.
    Callitrax gab einen kurzen Abriss der Geschichte ihres Volkes, wie sie allen bekannt war. Er sprach über die unbekannten Völker der Frühzeit, die

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