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Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn

Titel: Die Steampunk-Chroniken - Aethergarn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holzhauer (Herausgeber)
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dieser Stelle Jubel erwartet. So kannte er es aus den Radiosendungen. Die Truppe aber war sehr verhalten. Vereinzelt wurden Fäuste in die Höhe gestreckt, die meisten aber waren damit beschäftigt, ihre Schutzkleidung anzulegen.
    »Die Zukunft der mexikanischen Republik liegt auf diesem Schiff und kein einzelner Mann wird sie bestimmen! Gemeinsam haltet Stand! Gemeinsam siegt!«
    Die ersten Folienzelte implodierten. Gesichtslose Kämpfer, die über Schläuche mit dem Schiff verbunden waren, stürmten aus den Kokons und warfen sich über den Rand des Schiffes. Die leichte Gravitation, die noch immer vorherrschte, trieb sie nach unten – ins Zentrum der Schlacht. Emilio vermeinte Blitze zu sehen, als sie auf die spanischen Truppen trafen, wahrscheinlicher aber entstammte diese Illusion seinem überlasteten Gehirn, das alles überdramatisierte.
    Vor den letzten Nachzüglern versuchte Iturbide nochmals Gehör zu finden: »Viele von euch werden sterben. Das ist tragisch. Aber mit eurem Tod werdet ihr dazu beitragen, dass die Republik überdauert. Und mit ihr auch die Gedanken an die Männer, die für das Vaterland gestorben sind – und es gerettet haben!«
    Irgendwann sprach Iturbide nur noch zu Emilio. Im All wurden keine Geräusche übermittelt sobald man die schalltragenden Elemente verlassen hatte, und die Kämpfer hatten es nicht als wichtig genug erachtet, weiter ihrem Führer zu lauschen. So senkte sich der Blick des Kommandanten bei den letzten Worten auf den jungen Drachenbändiger. Und plötzlich hatte Emilio das Gefühl, dass Iturbide mehr zu sich selbst als zu seinen Männern gesprochen hatte. Die Ruhe und Souveränität der Gesten spiegelte sich in den Augen des Anführers als Leere wieder.
    Er weiß auch nicht, was er tun soll , wurde Emilio bewusst. Er ist so verloren wie ich.
    Die scheinbare Gefasstheit, das taktische Kalkül, waren nichts als Hilflosigkeit. Niemand an Bord hatte es als einzelne Person in der Hand. Geschmeidig wie er gekommen war, fast schwebend in der Schwerelosigkeit, verschwand Iturbide von der Oberfläche.
    Als Emilio zu Boden schaute, stellte er fest, dass die Arbeit getan war. Das Rohr war intakt und die Acalli damit wieder manövrierfähig. Er hatte seinen Teil geleistet. Einen Moment des Durchatmens wollte er sich noch gönnen, bevor er sich an den Abstieg machte.
    Langsam drehte sich Emilio im Kreis. Durch die Folienkuppel hatte er eine Rundumsicht auf die Schlacht. Es sah gut aus für sie.
    Die Mexikaner zeichneten sich durch Wendigkeit aus. Selbst die höchsten Ränge unter ihnen waren ehemalige Arbeiter, geschult durch jahrelangen Widerstandskampf. Während die Spanier in den Frontalangriff gingen, setzten sich die mexikanischen Kämpfer mit einem geschickten Salto in der Schwerelosigkeit in ihren Rücken und durchschnitten mit einer einzigen Bewegung die Schläuche der Angreifer, die sie mit dem spanischen Schiff verbanden. Als Emilio den ersten Blick auf das Schlachtfeld warf, wurde ihm die Sicht bereits durch große Fontänen aus komprimierter Luft getrübt, die nun langsam einen Nebel zwischen den Kämpfenden bildeten.
    Die zahlenmäßige Überlegenheit der Spanier war immer noch deutlich, reduzierte sich jedoch exponentiell. Wie Artisten sah er immer wieder Kämpfer aus dem Malstrom der verlorenen Luft tauchen und kurz das Messer ansetzen. Dann schwebte wieder ein neuer Leichnam zwischen den Schiffen.
    Waren die Toten bereits durch die sperrigen Raumanzüge entmenschlicht, erschienen sie Emilio wie seltsame seelenlose Apparate, als sie gemächlich dem Lauf des Schiffes folgten. Sobald sie das Schlachtfeld verlassen hatten, nahmen sie an Fahrt auf, ohne aber die Umlaufbahn der Acalli zu verlassen. So sammelte sich bald ein ganzer Friedhof um Ehecatl , der die Spitze des Schiffes als Galionsfigur schmückte und doch eigentlich als Hoffnungsträger dienen sollte. Was er, wenn man es genau betrachtete und die Spanier gänzlich entmenschlichte, auch erfüllte. War es doch ein spanischer Friedhof vor seiner Nase.
     
    Bevor sich Emilio noch einmal um die eigene Achse gedreht hatte, war die Schlacht soweit gewendet, dass ein großer Teil der Längsseite des Schiffes frei von Kämpfern war. Jetzt kamen die Geschütze in Stellung. Beide Schiffe explodierten in Rauch, der sich in Zeitlupe an der Bordwand entlang fraß. Die Kugeln bahnten sich lautlos ihren Weg über die Kluft.
    Emilio spürte die Einschläge, aber sie hatten nicht die gleiche Wirkung, wie er sie aus Jahren des

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