Die Steine der Fatima
können es wagen, auf die Endoprothese zu verzichten. Aber dann müssen wir jetzt sofort ran, nicht erst morgen. Wie sieht es oben aus? Ist ein OP frei?«
Stefan blies den Rauch zur Decke. »In der Eins kann es noch eine Weile dauern. Aber in der Zwei haben sie gerade mit einer Appendektomie angefangen. Soweit ich weiß, ist bisher nichts weiter geplant. Du kannst also loslegen.«
»Willst du sie prämedizieren?«
Stefan nickte lächelnd. »Klar. Ich wollte schon lange mal wieder mit dir im OP arbeiten.«
Beatrice trank ihren Kaffee aus.
»Dann werde ich jetzt die Angehörigen informieren.«
Sorgfältig, mit schnellen, geübten Bewegungen nähte Beatrice die Operationswunde zu. Die OP-Schwester überprüfte bereits die Tücher und Instrumente auf ihre Vollständigkeit, die Springer-Schwester räumte Wäsche weg, Stefan begann hinter dem Vorhang mit der Ausleitung der Narkose. Die Operation war beendet. Beatrice gab die Pinzette und den Nadelhalter der Schwester und öffnete die Klammern, die die Tücher zusammenhielten, welche zum Abdecken des Operationsfeldes verwendet worden waren. Die Operation war glatt und ohne Zwischenfälle verlaufen. Die alte Frau hatte sich während der Narkose gut gehalten, die Schrauben ließen sich gut im Knochen platzieren und hatten beim Anziehen die beiden Knochenfragmente geradezu lehrbuchmäßig wieder aneinandergefügt.
Beatrice zog sich die Handschuhe aus und ließ sich eine sterile Mullkompresse und zugeschnittenes Pflaster für den Verband geben. Sie war fast traurig, dass es schon vorbei war. Sie operierte leidenschaftlich gern und mochte die Atmosphäre im OP. Das klare weiße Licht der OP-Lampen, die dennoch niemals blendeten; die Geräusche von Beatmungsgerät und EKG, deren gleichmäßiger Rhythmus sowohl beruhigte als auch anregte; der durchdringende Geruch der Desinfektionsmittel – das alles war Teil einer anderen, einer eigenen Welt, die nichts mit dem Stationsalltag gemein hatte. Hier im Operationstrakt war das Kernstück des Krankenhauses, das Allerheiligste. So sahen es zumindest diejenigen, die sich der Chirurgie verschrieben hatten. Hier galten feste Regeln, an denen jeder, vom Hilfspfleger bis zum Chefarzt, akribisch festhielt. Ein OP-Pfleger, von dem Beatrice wusste, dass er in seiner Freizeit Romane schrieb, hatte den OP einmal mit dem höchsten Tempel einer Religion verglichen. Zutritt hatten nur die Gläubigen, die bereit waren, sich den festen Ritualen zu beugen, besondere Kleidung anzulegen, Haupt und Gesicht zu verhüllen, Waschungen durchzuführen und niemals und unter gar keinen Umständen gegen die gottgegebenen Hierarchien zu verstoßen. Nur Uneingeweihte wagten eine Verletzung dieser Regeln, outeten sich damit schnell als Fremdkörper und wurden für immer aus den heiligen Hallen verstoßen. Beatrice hatte damals über diesen Vergleich gelacht. Aber manchmal gab sie dem Pfleger recht.
Sie trat vom OP-Tisch zurück, zog den blutverschmierten Kittel aus und warf ihn in den Wäschesack.
»Gute Nacht, alle miteinander!«, rief sie den Schwestern zu. »Noch einen ruhigen Dienst.«
»Ach, sehen wir Sie heute gar nicht mehr, Frau Dr. Helmer?«, fragte die OP-Schwester.
»Das will ich doch hoffen«, erwiderte Beatrice lachend und wusste natürlich, dass sie gelogen hatte. Sie hätte jederzeit drei Stunden Arbeit im OP einer Stunde auf Station vorgezogen.
Sie ging zu dem kleinen Tisch, auf dem das Diktiergerät lag. Das Diktieren des OP-Berichts dauerte keine fünf Minuten. Es war eine der lästigen Pflichten, die jedoch unweigerlich mit der Arbeit im OP zusammenhingen. Dann kehrte sie zur Schleuse zurück. Sie hatte es nicht eilig, wieder auf die Station zu kommen. Gemächlich schlenderte sie den stillen, nur spärlich beleuchteten Gang entlang und blickte durch die Fensterfront an seiner linken Seite nach draußen. Große, schwere Tropfen hingen an den Fensterscheiben und spiegelten das Licht der Glühbirne wie kleine Kristalle. Wann mochte es geregnet haben? Um acht Uhr morgens? Zur Mittagszeit? Oder erst am Abend? Sie hatte nichts davon mitbekommen. Jetzt schien der Regen aufgehört zu haben, aber immer noch trieben dichte Wolken über den nächtlichen Himmel und ließen nur vereinzelte Sterne hindurchschimmern. Beatrice zog fröstelnd die Schultern zusammen. Ohne ersichtlichen Grund wurde ihr plötzlich kalt. Schnell berührte sie den automatischen Öffner der OP-Schleuse, und mit einem Zischen schwang die Stahltür zur Seite.
Das grelle
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