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Die neue Menschheit

Die neue Menschheit

Titel: Die neue Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chad Oliver
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1. Die Jagd nach der Unglückseligkeit
     
    Varnum hätte sich beeilen, hätte aufgeregt sein sollen.
    Er hatte eine Vorladung.
    Aber er ließ sich Zeit, er ging sogar zu Fuß – und das war schon etwas! Und aufgeregt war er keineswegs. Im Gegenteil, er war ruhig, fast unnatürlich ruhig. Und er war vorsichtig. Ohne seine stetige Wachsamkeit würde er längst nicht mehr leben. Er wußte, was sie von ihm wollten, und sie würden kein Risiko eingehen. Er erst recht nicht!
    Varnum hatte einen Vornamen: Charles. Er mochte ihn nicht sehr, obgleich er eine gewisse Seelenverwandtschaft mit einem früheren Charles Varnum verspürte. Auch er war ein Überlebenskünstler gewesen, damals, vor langer Zeit, auf dem Fluß, den die Indianer Fettes Gras genannt hatten. Varnum hatte auch eine Nummer, gegen sie selbst hatte er nichts, nur gegen die Tatsache als solche. Er wußte nicht, wie viele Varnums es auf dem Planeten gab, außer daß es bestimmt zu viele waren. Es interessierte ihn nicht. Sollten die Computer sie doch auseinanderhalten, dafür gab es schließlich Computer. Er wußte, wer er war. Er hatte sich nie mit einem anderen verwechselt.
    Er hatte die Vorladung. Sie hatte ihn erreicht. Das bedeutete, daß alle Abteilungsgottheiten sich an ihrem vorgeschriebenen Platz befanden und ein Auge auf die niederen Sterblichen hatten. Infolgedessen war mit der Welt alles in Ordnung.
    Von wegen! Es war ein Hundeleben! (Varnum wußte, was ein Hund war. Er las echte Bücher! Er kannte auch einige alte Redewendungen. Er war sehr exzentrisch.)
    Wäre er kein ungewöhnlicher Mensch, hätte er die Vorladung nicht bekommen.
    Wäre er kein ungewöhnlicher Mensch, würde er nicht an seinem Ziel ankommen.
    Varnum war bereit.
    Er rechnete mit etwas sehr Unerfreulichem.
    Und er hatte sich nicht getäuscht! Es war nicht sehr originell, aber es konnte wirkungsvoll sein.
    Und sein Ende bedeuten!
     
    Varnum befand sich in einer Stadt. Anderswo zu sein, würde viel Mühe kosten, denn der Planet war eine Aneinanderreihung von Städten, mehr oder weniger getrennt durch chemikalienübersättigte Nahrungsproduktionsgebiete. Ein paar Ausnahmen gab es noch: ein größerer Teil der Antarktis und einige Teile der alten Sahara. Das war aber auch schon alles.
    Varnum befand sich in der Stadt, das bedeutete, daß es hier so städtisch war, wie es nur sein konnte. Es gab wenige Straßen und noch weniger Fußwege. Außer in den manikürten Monstrositäten, Parks genannt, erwartete man nicht, daß ein Mensch zu Fuß ging. Er wurde unter- oder oberirdisch befördert. Außerdem, wo sollte man schon hingehen? Ein Stadtteil unterschied sich kaum vom anderen. Und die Dinge kamen zu einem, nicht man zu ihnen.
    Es gab keinen Regen, keine Sonne, keinen Wind – keine Gerüche.
    Für einen Primaten, der seine Entwicklung unter warmem Tropenhimmel begonnen hatte, war es ein merkwürdiger Ort.
    Wie konnte man in der Stadt einen Menschen töten? Die Möglichkeiten lassen sich aufzählen. Aber nein, die einfachste Weise genügt.
    Wenn man ihn zu Fuß gehen sieht, geht man ebenfalls zu Fuß, kommt nahe an ihn heran und gibt es ihm. Nichts Ausgefallenes, das den Schutzschirm aktivieren würde. Ein Messer ist genau das Richtige.
    Es waren zwei. Varnum sah sie. Das war nicht schwer, denn der Fußweg wurde ja kaum benutzt. Natürlich wußte er nicht, was sie vorhatten. Aber er behielt sie im Auge. Er schaltete seinen Schutzschirm nicht ein. Ein Schirm machte einen bewegungsunfähig. Man konnte es sich nicht leisten, ihn jedesmal zu aktivieren, wenn man irgend etwas Verdächtiges sah. Tat man es, lebte man zwar vielleicht sehr lange, aber weiter kam man so nicht.
    Jedenfalls machte Varnum sich keine Sorgen. Schließlich waren es nur zwei.
    Sie griffen bewundernswert geschickt an, ohne Vorwarnung. Sie teilten sich. Einer kam von der einen, der zweite von der anderen Seite herbei.
    Sie hatten nur nicht mit Varnums Reaktion gerechnet. In einer solchen Situation erstarrt das überraschte Opfer entweder vor Schreck oder weicht zurück. Varnum war nicht überrascht. Er sprintete vorwärts, hielt an und wirbelte herum. Den behindernden Umhang warf er zurück und riß seinen Automatikdegen, der auf Knopfdruck aus dem Griff sprang, aus dem Gürtel.
    Nun griff er an. Er hatte den langen Degen gegen ihre kurzen Messer, und der Fußweg war schmal. Er brauchte seine Klinge nur im Bogen zu schwingen und vorzustoßen. Sie traf den Mann zur Linken und schnitt seinen rechten Arm bis zum Knochen

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