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Die Sternseherin

Titel: Die Sternseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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lausche er auf etwas, was nur jemand wahrnehmen konnte, der über ein außerordentlich feines Gehör verfügte.
    »Still, es kommt jemand!« Er nickte Nuriya zu, die Estelles Hand griff, sie erst auf die Füße und dann in ihre Arme zog. Sie konnte sich nur noch wundern, wie kräftig der gut einen Kopf kleinere Rotschopf nach der Verwandlung geworden war, bevor ein merkwürdiger Schwindel alles Denken unmöglich machte.
    Ewigkeiten später, so kam es ihr jedenfalls vor, ließ das Rauschen in ihren Ohren nach. Sie öffnete die Augen und erblickte direkt vor sich ihr Abbild, das wirkte, als wäre es aus Elfenbein und Ebenholz geschaffen. Das Haar floss der jungen Frau bis zur zerbrechlich wirkenden, geschnürten Taille hinab, aber wer genauer hinsah, erkannte, dass sie gerade erst dem Mädchenalter entwachsen sein konnte. Vielleicht lag es an dem schwarzen Gewand, das mehr von der exquisiten Figur zeigte, als es verhüllte, dass sie älter und erfahrener wirkte, oder an den dunkel geschminkten Lidern und dem vollen, roten Mund. Es schien, als blicke sie aus silbern schimmernden Augen unmittelbar in Estelles Herz. Und das tat sie vermutlich auch, denn vor ihr stand ihre Zwillingsschwester, ihre andere Hälfte. Momentan auch die bessere, gewiss aber die besser aussehende, dachte Estelle. Sie wusste genau, dass ihr heller Teint heute fahl wirkte und dunkle Ringe unter den Augen von ihrer letzten Vision zeugten. Selena tat einen Schritt vor und der Bann war gebrochen, sie fielen sich in die Arme und für einen Augenblick schien aller Streit vergessen. Selenas Hand berührte ihre tränenfeuchten Wangen. »Dein Zimmer ist bereit.«
    »Sie wird nicht hier bleiben!« Nuriyas Stimme zerstörte den kurzen Frieden. »Kieran kann zwar die Polizei für den Augenblick aufhalten, aber zu viele Menschen haben gehört, wie sie den Tod dieses Mannes vorausgesagt hat. Wir bräuchten eine ganze Armee, um die Erinnerung der Sterblichen zu manipulieren und die Sache ungeschehen zu machen. Ganz zu schweigen von den Unsterblichen, die womöglich auf sie aufmerksam geworden sind. Estelle wird vorerst bei uns bleiben, dort ist sie zurzeit am besten aufgehoben.«
     
    Drei Wochen später war sich Nuriya ihrer Sache nicht mehr so sicher, denn bei dem Versuch, die immer wiederkehrenden Anfälle zu unterdrücken, wurde Estelle mit jedem Mal nervöser, aß kaum noch und magerte sichtlich ab.
    »Ich hätte nie gedacht, dass es jemanden geben könnte, der starrköpfiger ist als du!« Kieran lehnte sich in die Kissen zurück, er klang irritiert.
    »Dass sie sich von dir nicht helfen lässt, kann ich ja noch verstehen, aber ich bin immerhin ihre Schwester!« Nuriya hatte die Fäuste in ihre Hüften gestemmt und blies ärgerlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Und was zum Teufel habe ich ihr getan?«
    »Nichts. Aber du bist ein Vampir und noch dazu ein Dunkelelf!«
    »Stimmt, du etwa nicht?«
    »Im Gegenteil. Die Feenkönigin hat mich offiziell zu einer Repräsentantin der Lichtelfen, ihres Volkes, erklärt.«
    »Sag bloß, du willst auch noch bestreiten, eine Vampirin zu sein?«
    »Vampir zweiter Klasse. Geschaffen, nicht geboren. Deine ›adligen‹ Verwandten würden mir das doch nur zu gerne unter die Nase reiben.«
    »Das sollen sie mal versuchen!« Kieran runzelte die Stirn.
    Nuriya, die sein ritterliches Verhalten zuweilen als Macho-Gehabe bezeichnete, hätte ihn dieses Mal am liebsten auf der Stelle dafür geküsst. »Wie auch immer!« Sie wusste nicht warum, aber eines war sicher, ihre Schwester hatte sich die Ansichten des Feenvolkes zu eigen gemacht, das eine Abneigung gegen seine entfernten Verwandten hegte, die bereits als Vampire geborenen Dunkelelfen. Die geschaffenen Vampire standen ebenfalls nicht hoch in ihrer Gunst, genauer gesagt fiel ihr niemand ein, den Estelle mehr hassen könnte – oder fürchten, wie es aussah. »Sie hat eine Abneigung gegen jeden von uns.«
    Kieran bemühte sich, die Zufriedenheit zu verbergen, die sich warm in seiner Brust ausbreitete. Mit »uns« meinte sie auch sich selbst. Lange genug hatte es gedauert, bis seine geliebte, widerspenstige Gefährtin bereit gewesen war, ihr Schicksal anzunehmen. Die Fältchen in seinen Augenwinkeln vertieften sich und Nuriya schmolz beim Anblick ihres Kriegers dahin, der selten genug auch nur die Spur eines Lächelns zeigte. Daran würde sie noch arbeiten müssen. Vorerst belohnte sie ihn damit, ihre kämpferische Haltung aufzugeben. »Ehrlich, ich habe keine Ahnung,

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