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Die Sternseherin

Titel: Die Sternseherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Wagen nicht, es ist ein Band von meinem Herzen, das da lag in großen Schmerzen, als Ihr in dem Brunnen saßt, ...«
    »... als Ihr eine Fretsche wast«, beendete sie das Märchenzitat. Der Fahrer lächelte und sie fragte sich, warum so ein netter und gebildeter Mann für Kieran arbeitete. Nein, ein Frosch wollte sie bestimmt nicht sein, sondern die Chance nutzen, die ihr der Vampir aus welchen Gründen auch immer geboten hatte. Fest entschlossen, ihre Kräfte in den Griff zu bekommen, begann sie sich auf ihre Zukunft zu freuen.
     
     

II
     
    Die Feentochter, der sich zu jeder Zeit und ungefragt die Gefühle und Zukunft ihres Gegenübers offenbaren konnten, sobald sie die Person berührte, wusste nicht, was sie selbst am Ende ihrer weiten Reise erwartete. Als der Zug endlich sein Ziel erreicht hatte, raffte sie ihre Taschen zusammen und zerrte den Koffer hinter sich her. Einmal verhakte sich das schwarze Ungetüm, als wolle es lieber weiter in der Sicherheit zwischen zwei Sitzreihen verharren, dann rumpelte es über den Fuß einer Reisenden. Estelle drehte sich halb um, murmelte eine Entschuldigung und verschloss ihre Ohren vor dem klagenden Protest, der ihr folgte. Nur raus. Gerade wollte sie die mit schmutzigem Blech verkleideten Stufen zum Bahnsteig hinabsteigen, da berührte eine Hand ihre Schulter und die Stimme des Schaffners durchschnitt für Sekunden den lebenswichtigen Kokon, in den sie sich zurückgezogen hatte. »Kann ich Ihnen helfen?«
    Auch ohne diese unwillkommene Berührung drangen die Gedanken des Mannes in sie ein, sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich genug, was er dachte: Wie dünn das arme Ding ist!
    Es war noch nicht lange her, da hatten Männer ihre Schönheit gepriesen und Lust statt Mitleid beim Anblick ihrer Kurven empfunden. Ihre feenhafte Ausstrahlung und Modelmaße hatten ihr noch vor wenigen Wochen eine hübsche Wohnung in Paris und das Studium finanziert, doch seitdem war viel passiert. Estelle kämpfte mit aller Kraft darum, das schützende Nichts wiederzufinden, das sie gerade noch umgeben hatte, und starrte dabei auf die haarige Pranke, die ihr Gepäck hielt. Männerhände. Warm. Zupackend. Ein wenig rau. Hände, die gemacht zu sein schienen, eine Frau festzuhalten, ihren Kopf grob zu drehen, bis der Hals frei lag, um Zähne hineinzuschlagen, in dem blutigen Fleisch zu wühlen wie ein Raubtier ...!
    Panik wallte in ihr auf. Lass mich gehen! Woher kamen nur diese schrecklichen Bilder?
    Der Mann ließ den Koffergriff los, als habe dieser sich plötzlich in eine giftige Schlange verwandelt. Estelles Lächeln zeigte nichts von dem Tumult, den die Begegnung in ihr ausgelöst hatte. Es glich einer kühlen Brise, und als der Schaffner sich abwandte, war sie bereits vergessen. Manchmal gehorchte die Magie ihr noch, leider wurden diese Momente immer seltener und verlangten ihr alles ab.
    Auf dem Bahnsteig ging sie noch wenige Schritte, dann sackte sie von der Willensanstrengung erschöpft auf dem Koffer zusammen. Die Hände vor dem Gesicht hoffte Estelle, die Zeit würde stillstehen und ihr Frieden schenken. Und dann würde Mama kommen, ihre kleine Tochter in die Arme schließen, wie sie es früher immer getan hatte, wenn Estelle sich vor etwas gefürchtet hatte, und alles wäre wieder gut. Aber nichts war wie früher.
     
    »Estelle?« Vor ihr stand eine junge Frau, kaum älter als sie selbst. Stupsnasig, mit weit auseinanderstehenden Augen, die sie jetzt besorgt anblickten. Die Lippen leuchteten tiefrot und zum ersten Mal an diesem Tag musste Estelle lächeln, als sie sah, dass der asymmetrische Pagenkopf des Mädchens exakt im gleichen Ton gefärbt war wie ihr eigenes Haar. Kurz darauf folgte sie ihrer zukünftigen Mitbewohnerin, die sich als Manon vorgestellt hatte und nun auf abenteuerlichen Absätzen vor ihr zum Taxistand stöckelte. Die Fahrt ins neue Zuhause dauerte nicht lange. Manon versuchte sich unterwegs als Fremdenführerin und kommentierte abwechselnd das Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer und das ihres Fahrers, der einen hörbaren Seufzer der Erleichterung ausstieß, als die beiden ungleichen Passagiere endlich ausgestiegen waren und bezahlt hatten. Danach rumpelte sein Taxi eilig über das Kopfsteinpflaster.
    Manon kicherte. »Puh, ist der froh, uns los zu sein.« Dann bemerkte sie, wie Estelle sich neugierig umschaute, so als schien sie nicht zu glauben, dass es in dieser Straße etwas anderes als Andenkenläden, Kneipen und Imbiss-Buden gab. »Die Touristen gehen einem

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