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Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition)

Titel: Die Stille über dem Wasser: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clara Salaman
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das sich nicht verleugnen ließ, sondern seine Aufmerksamkeit einforderte.
    Die Musik, unendlich leise, schwebte unmittelbar an den Rändern seines Bewusstseins. Er musste mit jeder Faser seines Körpers lauschen, um sicher zu sein, dass sie tatsächlich da war. Als es ihm endlich gelang, sie als Musik zu auszumachen – er konnte die einzelnen Noten nicht hören, vielmehr schienen sie sich an all seinen Sinnen vorbeizumogeln und geradewegs in sein Innerstes vorzudringen, zu jenem winzigen Punkt in der Unendlichkeit, der er inzwischen geworden war –, spürte er den Sog. Sie schien ihn an die Peripherie seiner Wahrnehmung zu ziehen, dorthin, wo sich der Rest der Welt befand. Als er sich der Wirkung der leisen Klänge bewusst wurde, entzündete sich eine Flamme in der Finsternis seines Seins, deren Licht sich rasend schnell ausbreitete, und die endlose Leere, von der er stets, selbst als kleiner Junge schon, gewusst hatte, dass sie existierte, war unvermittelt von ihrer Liebe erfüllt; genauso wie an diesem ersten Tag am Strand, als er sie in den Wellen in den Armen gehalten hatte.
    »These arms of mine … they are lonely … lonely and feeling blue …«
    Die Musik war sie . Daran bestand kein Zweifel. Sie war da. Er spürte ihre Liebe, und sein ganzer Körper schien zu lächeln. Die zarten Gitarrenklänge, die sehnsuchtsvolle Stimme erfüllten ihn mit grenzenloser Liebe. Musik. Sie breitete sich aus, jenseits seines Körpers, bis zum Himmel empor und in die Endlosigkeit des Universums.
    »These arms of mine … they are yearning … yearning from wanting you … And if you … would let them hold you … oh how grateful I would be …«
    Er schwebte in der Musik. Er war die Musik.
    »These arms of mine they are burning … burning from wanting you.«
    Doch da war noch etwas anderes. Er hörte es ganz leise. Wasser. In dem Moment, als er es erkannte, wusste er, dass sie fort war. Dass er ohne sie zurückbleiben musste. Und dann verklang die Musik.
    Er schlug ein Auge auf. Lauschte. Keine Musik. Keine Mutter. Keine Clem. Er versuchte, den Kopf zu drehen, doch es gelang ihm nicht. Er spürte sein Gesicht nicht mehr, ebenso wenig wie seine Hände oder sonstige Teile seines Körpers. Er war wie erstarrt, all seiner Sinneswahrnehmung beraubt, bis auf das eine Auge, das über den Horizont schweifte, während sein Körper von den Wellen getragen wurde. Er erspähte zwei Monde, dick und rund, einer hoch am Himmel, der zweite direkt neben seinem Gesicht, lediglich durch die gezackte weiße Linie in seiner Phantasie miteinander verbunden. In der Ferne schob sich der rote Morgenstern über den Rand des Horizonts, und mit ihm das Versprechen der nahenden Dämmerung.
    Und dann sah er es, direkt unterhalb des Sterns: die winzige Spitze eines Segels, das weiß im Mondschein leuchtete. Er blinzelte. Blinzelte noch einmal. Er halluzinierte immer noch. Nein, es war tatsächlich da. Ein Boot am Horizont. Er sah zu, wie das Segel dahinschwebte, wunderschön, und fragte sich, wer an Bord sein mochte, was die Leute wohl gerade taten, worüber sie sich unterhielten. Noch nie in seinem Leben hatte er etwas so Schönes gesehen wie dieses Boot, das übers Meer glitt, angetrieben vom Atem der Natur und sonst nichts.
    Erst als das Boot seinen Kurs änderte und er bemerkte, dass es geradewegs auf ihn zukam, regte sich etwas in seinem Herzen. Sein Mund war von einer süßen Schärfe erfüllt – Hoffnung hatte einen Geschmack. Nach Pear Drops. Leugnen war zwecklos – irgendwo ganz tief in seinem Innern hatte er noch nicht aufgegeben, glomm noch ein Funke Lebenswille. Und er schwor sich eines: Sollte er am Leben bleiben, würde er zurückkehren und nach dieser Insel suchen. Er würde Smudge retten und sie um Vergebung bitten.
    Er versuchte, sich auf dem Fender ein Stück höher zu ziehen, doch seine blau verfärbten Finger zuckten lediglich, während der Rest seines Körpers nutzlos darüberhing. Es gelang ihm kaum, das Auge offen zu halten. Durch einen winzigen Schlitz beobachtete er, wie das Boot sich auf den Wellen hob und senkte und die gelbe Flagge abwechselnd in Sichtweite kam und wieder verschwand, wie bei einem grausamen Guck-guck-Spiel.
    Inzwischen war das Segel zu einem Dreieck angewachsen. Es mochte etwa eine halbe Meile entfernt sein und flatterte, erhellt von der Sonne in seinem Rücken, in einem flammenden Orange. Sie war unfassbar schön, genau das Boot, von dem er immer geträumt hatte – eine doppelendige

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