1319 - Der Bote des schwarzen Tods
Es war schon still, aber es wurde noch stiller, weil auch meine Schritte verstummten. Beim Gehen hatte ich sowieso nicht viele Geräusche hinterlassen, da ich mich recht langsam auf dem dünnen und auch dürren Rasen bewegt hatte.
Ich war über das Gitter am Rand geklettert und dann über den Fußballplatz gelaufen, dessen Boden aus einer Mischung zwischen Rasenresten und Asche bestand.
Hier spielte kein Verein der Premier League. Wer hier am Wochenende kickte, gehörte zu einer Mannschaft, die vier Klassen tiefer anzusiedeln war. Entsprechend sah das Feld aus. Von einem englischen Rasen konnte man hier nur träumen.
Jetzt, mitten in der Woche, trainierte niemand auf diesem Acker.
Ich befand mich allein auf dem Platz, aber ich wusste meinen Freund und Kollegen Suko in der Nähe. Er hatte sich auf die Tribüne verzogen oder auf das, was man dafür hielt. Da gab es ein paar überdachte Steinstufen. Die Tribüne selbst war nicht mehr als eine breite Treppe. Dort wartete Suko hinter einem genügend breiten Balken, wobei diese Deckung nicht eben perfekt war. Aber es gab Gründe, weshalb wir so handelten. Über die dachte ich nach, als ich auf den Mittelkreis zuging.
Den Treffpunkt hatte nicht ich mir ausgesucht, sondern eine gewisse Justine Cavallo. Die Vampirin und blonde Bestie war für mich so etwas wie eine Erzfeindin, ich hätte sie liebend gern zur Hölle geschickt, und sie mich sicherlich auch. Und möglicherweise wäre einer von uns schon nicht mehr am Leben, aber es gab eine gewisse Konstellation, die uns beide in gewisser Hinsicht zu Verbündeten hatte werden lassen.
Das war die Drohung aus dem Unbekannten, die sich in letzter Zeit verdichtet und sogar einen Namen bekommen hatte.
Der Schwarze Tod!
Dieser verfluchte Dämon, einer der mächtigsten auf der Erde. So etwas wie der Teufel in der Hölle war er in Atlantis gewesen. Ich hatte ihn damals vernichtet, doch nun war er dabei, zurückzukehren. Es gab keine Beweise, doch es hatte bestimmte Anzeichen gegeben, über die ich nicht eben glücklich gewesen war.
So dachten auch Justine Cavallo und Will Mallmann, alias Dracula II, der mächtige Vampir, der sich sogar eine eigene Welt erschaffen hatte und von dort gewisse Dinge beobachtete. Aus dem allgemeinen »Tagesgeschäft« hatte er sich deshalb zurückgehalten und Justine vorgeschickt, die aussah wie eine perfekte Barbie-Puppe.
Eine kalte Schönheit, die mit den Menschen spielte und deren Blut trinken wollte. Das schaffte sie auch, sie musste weiterexistieren.
Dass diese Vampirpest nicht explodierte, hatte ich letztendlich verhindern können. Noch vor kurzem war mir das bei einer jungen Musikerin gelungen.
Justine verdaute Niederlagen, das wusste ich ebenfalls. Sie gab trotzdem nicht auf, und sie nahm sogar Kontakt mit mir auf, wenn es ihr ratsam erschien.
So wie jetzt.
»Sinclair, du solltest kommen«, hatte sie zu mir am Telefon gesagt.
»Und was willst du?«
»Ich will dich mit jemanden bekannt machen, der etwas gesehen hat, das nicht nur wichtig für mich ist, sondern auch für dich. Diesen Mann solltest du treffen.«
»Warum?«
»Weil es wieder um IHN geht.«
Sie hatte ein Wort besonders betont. Ich wusste, was sie meinte, fragte aber trotzdem nach.
»Du meinst den Schwarzen Tod?«
»Genau ihn.«
»Wieso? In der letzten Zeit habe ich immer wieder etwas gehört. Ich habe ihn aber nicht gesehen. Ich habe seine Rückkehr noch nicht erlebt. Bisher ist alles nur Spekulation gewesen.«
»Die Zeichen mehren sich.«
»Das kannst du mir auch am Telefon sagen. Ich höre dir gern zu.«
»Du sollst nicht mich treffen. Ich schicke dir jemanden, der besser informiert ist.«
»Wer?«
»Der Mann heißt Flavio McCormick. Er möchte dich sehen, will aber nicht zu dir ins Büro kommen. Er hat seine Gründe.«
»Und wo soll ich ihn treffen?«
Justine hatte mir das Ziel genannt, und so stand ich nun auf dem Fußballfeld am Mittelkreis und wartete auf diesen Flavio McCormick, über den ich natürlich Erkundigungen eingezogen hatte. Und siehe da, er war eine nicht eben unbekannte Größe in unserem Computer.
Als Beruf hatte er Grabsteinhändler angegeben. Einer der größten im Lande. Außerhalb von London betrieb er seinen Laden. Er verkaufte die Grabsteine nur, er war kein Steinmetz, der sie selbst herstellte. Ich ging davon aus, dass er wie auf einem großen Friedhof lebte, wobei keine Toten unter den Steinen lagen.
Da jedoch war man sich nicht so sicher. Zumindest unsere Kollegen, denen er
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