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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Ich erwarte, daß sich diese Wolle schnell in Stoffe und Röcke verwandelt! Prink, erhebe dich von deinem fetten Arsch!«

3
    Dienwald rieb sich das Kinn und sagte: »Bis sich das Wesen wieder in menschlicher Gesellschaft sehen und ... riechen lassen kann, wird wohl der Brunnen leer sein.«
    »Ja, is ja wahr«, sagte Northbert. Er nahm einen Klumpen Wolle und führte ihn an seine Nase, die ihm ein wohlgezielter Steinwurf vor zehn Jahren plattgequetscht hatte. »Stinkt mächtig, my Lord.«
    »Da kommt sie!« schrie Edmund.
    Dienwald schaute hoch. Barfuß, in einem rauhen, abgetragenen Rock, der nur an den Brüsten eng anlag, kam die weibliche Erscheinung auf ihn zu. Die nassen Haare legten sich ihr wie ein wilder Heiligenschein um den Kopf. Diese Haare hatten die Farbe von dunklem Honig, von Herbstlaub und guter brauner Ackerscholle. Beim Trocknen lockten sie sich von Minute zu Minute mehr.
    Sie blieb vor ihm stehen. »Ich bin Philippa de Beauchamp. Ihr seid zwar ein Dieb, aber Ihr scheint der Burgherr zu sein, also mein Gastgeber. Wie heißt Ihr?«
    »Dienwald de Fortenberry. Ja, ich bin der Burgherr und demnach der Herr aller, die hier leben, wozu auch du gehörst. Folge mir!«
    Damit drehte er sich um und schritt über den staubigen Burghof auf den großen Saal zu. Sie folgte ihm und sah, daß er noch acht bis zehn Zentimeter größer war als sie, gerade gebaut wie eine Lanze und ebenso fest. Er sah wie ein harter Krieger aus und war jünger, als sie gedacht hatte, als sie ihn nach dem Diebstahl der Wollewagen Befehle geben hörte. Er war nicht sehr viel älter als sie, aber von tückischem Charakter; das hatte er schon bewiesen. Er war nichts als ein skrupelloser Dieb. Ob er auch nur einen kleinen Funken von Ritterlichkeit besaß, mußte sich noch erweisen.
    Dienwald de Fortenberry. Plötzlich erinnerte sie sich des Namens und wurde blaß. Seit sie zehn Jahre alt war, hatte man ihr Geschichten über ihn erzählt. Abwechselnd nannte man ihn den Schelm von Cornwall, die Geißel und die Pest des Teufels. Immer wenn de Fortenberry auf Raub und Plünderung in der Nähe der Ländereien von Beauchamp auszog, pflegte Lord Henry die Faust zu erheben, auf die Binsen auf dem Boden zu spucken und zu brüllen: »Man sollte diesen verdammten Schweinehund in drei Stücke schneiden!« Warum gerade in drei Stücke, hatte niemand auf Beauchamp ihn zu fragen gewagt. Sie hätte dem Mann nicht sagen dürfen, wer sie war. Doch jetzt war es nicht mehr zu ändern. Er war der Herr dieser Burg.
    Der große Saal war düster. Schwarzgeräucherte Holzbalken zogen sich unter der hohen Decke entlang. Es gab nur ein halbes Dutzend schmale Fenster, die mit Fellen verhängt waren. Die Binsen auf dem Fußboden bogen sich und knackten unter ihren nackten Füßen.
    Die Luft roch abgestanden. Sie sah, wie der Mann ärmlich gekleidete Bedienstete, mehrere Krieger, den buckligen Narren und seinen Sohn wegscheuchte. Wo mochte seine Frau sein? Da er einen Sohn hatte, war er sicherlich auch verheiratet. Doch welche Frau wollte mit einer Geißel, einer Pest, einem Schweinehund verheiratet sein?
    Jetzt nahm er auf dem Herrensessel Platz. Der schien das Werk eines guten Tischlers mit Sinn für Ornamente zu sein. »Komm her!« sagte die Geißel von Cornwall und winkte ihr mit gekrümmtem Finger.
    Niemand hatte sie je zuvor in so herrischer Art mit gekrümmtem Finger zu sich gewinkt. Nicht einmal Lord Henry.
    Einen Augenblick lang vergaß Philippa, wo sie war und wer es war, der sie hier herumkommandierte. Kraftvoll nahm sie die Schultern zurück und drückte die Brust heraus, daß die Mittelnaht des Kleides beinahe aufplatzte.
    Dienwald de Fortenberry lachte.
    »Komm her!« sagte er noch einmal.
    Philippa ging auf ihn zu und sah ihm dabei in die Augen. Es war kein häßliches Gesicht. In ihrer Vorstellung hätte das Gesicht einer Geißel von Pockennarben verunstaltet sein müssen. Sie hätte wilde Augen und schwarze Zähne erwartet. Keineswegs gutgeschnittene, markante Züge, hellbraune Augen, die einen Goldschimmer hatten, und ebensolche Haare und Brauen. Ein tiefes Grübchen teilte sein Kinn. Vielleicht war dies das Teufelsmal. Er war glattrasiert und trug das Haar länger, als es Mode war. Im Nacken ringelten sich dichte Locken. Er sah nicht wie ein Schelm oder wie die Pest des Teufels aus. Dennoch hatte er die Wolle ihres Vaters geraubt.
    »Wer seid Ihr?«
    »Ich bin Dienwald de Fortenberry ...«
    »Das weiß ich. Ich meine etwas anderes. Seid Ihr wirklich

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