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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Manieren vergaß. Einmal sah sie, den Mund voll Brot, zufällig auf und begegnete seinem Blick. Rasch neigte sie den Kopf, versuchte alles auf einmal runterzuschlucken und bekam einen Hustenanfall.
    Dienwald stand auf, beugte sich über den Tisch und klopfte ihr auf den Rücken. Dann reichte er ihr einen Krug Bier. »Trink!«
    Als der Anfall vorüber war, saß er wieder auf seinem Sessel und beobachtete sie. Wenn sie auf dem ganzen Weg von Beauchamp in dem verdammten Wollewagen versteckt gewesen war, dann hatte sie fast zwei Tage lang nichts gegessen und getrunken.
    »Du hast sehr viele Haare.«
    »Ja.«
    »Wer ist dieser Vetter, den du besuchen willst?«
    »Das kann ich Euch nicht sagen. Es ist auch unwichtig.«
    »Wie alt bist du?«
    »Beinahe 18.«
    »Ein herrliches Alter. Zunächst dachte ich, du wärst schon älter. Warum bist du von Beauchamp ausgerückt?«
    »Weil mich mein Vater verheiraten wollte. Mit einem...« Philippa hielt jäh inne. Ein Stück Käse fiel ihr auf den Tisch, und sie beeilte sich, es wieder aufzuheben.
    »Du warst so sehr gegen diese Heirat, daß du in den Burggraben gesprungen bist und dich zwischen der Wolle versteckt hast? Mit dem Ergebnis, daß die Wolle und du wie ein Sumpfschwein stanken.«
    Sie nickte heftig mit vollem Mund. Was für ein wunderbarer Käse! »Ja, ich konnte nicht anders. Wenn Ihr nichts dagegen habt, möchte ich meine Flucht fortsetzen.«
    »Du weißt genau, daß das nicht geht. Eine so reiche Dame in diesem zarten Alter handelt nicht gegen den Willen ihres Vaters. Eine Tochter darf sich überhaupt nie gegen ihren Erzeuger auflehnen. Eine Heirat ist dazu da, um den Wohlstand, den Besitz und den politischen Einfluß der ganzen Familie zu mehren. Bestimmt weißt du das auch. Oder bist du falsch erzogen worden? Irgend etwas stimmt bei dir nicht. Hast du dich von den albernen Liedern der Minnesänger verlocken lassen? Hast du dich in einen Kerl mit seidigen Augenbrauen verliebt?«
    Sie schüttelte den Kopf. Eine Heirat mit William de Bridgport würde den Wohlstand und den Besitz ihrer Familie überhaupt nicht mehren. »Nun, Sir, ich kann auch zu Fuß gehen. Ihr braucht mir nur den Weg nach St. Ives zeigen zu lassen.«
    Dienwald stand auf, machte ein paar Schritte und ging zu dem Sessel zurück. Über die Schulter sagte er: »So, komm wieder her! Setz dich auf den Fußboden!«
    Philippa schnappte sich die letzten Stücke Brot und Käse und folgte ihm. Beim Hinsetzen glitt das Kleid bis über die Knie. Seine folgenden Worte bewirkten, daß sie sich beinahe erneut verschluckte.
    »In diesem Fall ist vieles zu überlegen. Ich könnte ein Lösegeld für dich fordern. Nach allem, was ich gehört habe, ist dein Vater sehr reich. Beauchamp ist eine stolze Burg. Sie war es schon, als William sie vor 200 Jahren Rolfe de Beauchamp schenkte. Und dein Vater hat auch Einfluß bei Hofe. Jedenfalls habe ich das vor einigen Jahren mal gehört. Ah, und ich glaubte, ich könnte mal allein sein. Na, komm schon her, Crooky! Du kannst gemeinsam mit mir überlegen. Was meinst du, was würde die Dirne für ein Lösegeld einbringen?«
    Crooky humpelte heran, musterte Philippa von oben bis unten und sagte dann: »Is ja 'ne große Dirne, Herr, sogar im Sitzen, 'ne auffallend große Dirne. Ihre Beine hören ja überhaupt nicht auf. Bei St. Andreas' Nase, ich wette, sie is so groß wie Ihr oder beinahe.«
    »Nein, nein«, sagte Philippa, »er ist größer als ich, um mindestens zehn Zentimeter.«
    »Ja, das stimmt«, sagte Dienwald über sie hinweg. Doch dann stellte er vor: »Das ist Crooky, mein Narr, meine Ohren und die meiste Zeit über ein unverschämter Wicht. Aber ich ertrage ihn.« Er sah ihre Nase in die Höhe gehen. Eine hübsche schmale Nase. Aber auch eine stolze, hochmütige Nase.
    Zu Philippas Überraschung begann Crooky plötzlich zu singen.
    »Was mag sie wert sein,
    Dieses wollhaarige Ding?
    Bringt sie Euch Edelsteine ein?
    Nicht, wenn sie stinkt.
    Sie sieht hexenhaft aus,
    Ihre Reden sind kraus ...«
    »Du mußt blind sein, Plappermaul«, unterbrach ihn Dienwald. »Sie ist sauber und gesund. Und nachdem ich ihr zu essen gegeben habe, klappern auch ihre Rippen nicht mehr aneinander.«
    Crooky kicherte. »Ja, Ihr müßt Lösegeld für sie fordern. Das bringt Geld ein, und Ihr könnt es gebrauchen. Laßt Lord de Beauchamp tüchtig zahlen, damit er sein Rebhühnchen wieder in den Pferch bekommt! Gott sei mit Euch, Madam.« Und das sonderbare Männ-chen, das so schrill lachte, grinste

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