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Die Stimme der Erde

Titel: Die Stimme der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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ihres Vaters würden, so schnell es ging, nach Beauchamp zurückfahren, um ihm von dem Überfall zu berichten. Wahrscheinlich würden sie ihm erzählen, wie tapfer sie sich gegen eine Übermacht gewehrt hätten -und sie würde mitfahren. Vorausgesetzt, daß sie im richtigen Wagen war.
    Plötzlich fuhr der Wagen wieder an. Sie hörte die Stimme des Mannes: »Vorsicht, Peter! Dieser Klappergaul sieht aus, als wollte er gleich zusammenbrechen. Lord Henry muß ein entsetzlicher Geizhals sein.«
    Philippa war nicht im richtigen, sondern in einem der beiden Beutewagen. Sie hatte keine Ahnung, wo es hinging. Übrigens würden die Bauern bei ihrer Rückkehr nach Beauchamp auch nicht sagen können, wer sie überfallen hatte.
    Dienwald wandte sich auf seinem Hengst Philbo um und überschaute die beiden Wagen mit Rohwolle, die nun ihm gehörten. Die Begleitmannschaft war in den Treywen-Wald geflüchtet. Sie müßten verrückt sein, wenn sie jetzt nach Beauchamp zurückritten. Lord Henry würde ihnen für ihre Feigheit die Ohren abschneiden lassen. Und nach den Ohren bestimmt noch weitere Körperteile. Die Bauern würden nach St. Ives weiterfahren. Er kannte Leute ihres Schlages. Sie waren voll Habgier, aber nicht dumm, und wenn ihr Leben auf dem Spiel stand, verstanden sie es meisterhaft, sich herauszulügen. Er malte sich aus, wie sie behaupten würden, von einem über zwei Meter großen Ungeheuer angefallen worden zu sein, dessen Kopf rotviolett und mit Narben übersät gewesen wäre und das ihnen gedroht hätte, sie lebendig aufzufressen und dann wieder auszuspeien.
    Nun, so unrecht hatten sie gar nicht. Das war ja das Schöne an Gorkel dem Schrecklichen. Der hatte kein Wort zu den entsetzten Bauern gesagt. Sein Anblick hatte genügt. Jetzt hatte St. Erth genügend Wolle, und die alte Agnes konnte so viel weben, bis ihr die krummen Finger den Dienst versagten. Und zusätzlich hatte er zwei neue Pferde erbeutet. Es waren zwar nur Klepper, aber sie waren herrenlos, und jetzt gehörten sie ihm. Kein schlechtes Ende des Abenteuers. Dienwald war mit dem Erfolg des Tages zufrieden. Er durfte nicht vergessen, Crooky für seine Benachrichtigung einen Extrarock zu schenken.
    »Und nun vorwärts!« rief er. »Nach St. Erth! Ich will, daß wir vor Einbruch der Dunkelheit zu Hause sind.«
    »Ja, my Lord«, rief Eldwin. Er trieb den armen Gaul zu einem schlurfenden Galopp an, und der Wagen ruckte an und hoppelte dahin. Philippa fiel zurück. Ballen schmutziger Wolle fielen ihr aufs Gesicht. Sie atmete nur noch den eigenen Gestank ein. Schließlich gelang es ihr, ein zweites Luftloch zu bohren. Wo mochte St. Erth sein? Sie hatte den Namen schon gehört, wußte aber nicht, wo sich der Ort befand. Übelkeit überkam sie. Mit den Händen bahnte sie sich einen Weg durch die Wollschichten, bis ihr Kopf herausschaute und die Sonne ihr heiß ins Gesicht schien.
    Philippa atmete die frische Luft ein. Ihr Magen beruhigte sich, und, kühner geworden, streckte sie den Kopf so weit heraus, daß sie sich draußen umschauen konnte. Sie verrenkte sich fast den Hals. Vor ihnen fuhr der andere Wagen, und an der Spitze ritten sechs Männer. Alle schauten nach vom, weg von ihr. Wer war ihr Anführer, der Lord? Sie waren alle erbärmlich gekleidet. Eigentlich merkwürdig, denn ihre Pferde schienen wohlgenährt und kräftig zu sein. Philippa musterte die Umgebung. An den Seiten der mit Schlaglöchern übersäten Straße wuchsen hier und da knorrige alte Eichen, älter als die keltischen Hexen. Vielleicht fuhren sie geradewegs nach St. Ives. Vielleicht war doch noch nicht alles verloren.
    Sie kamen durch zwei kleine Dörfer - nichts als geduckte Hütten. Dann sah sie vor sich eine Burg aufragen. Auf einem hohen Felsenhügel drängten sich gestutzte Fichten um die Mauern der großen normannischen Burg. Die Mauern waren mit Zinnen versehen, und in den vier schlanken Türmen gab es Vorsprünge mit Schießscharten für Bogenschützen. Die Mauern waren mindestens zweieinhalb Meter dick. Eine kalte graue Burg, aber ausgezeichnet befestigt. Sie sah aus, als wäre sie für tausend Jahre gebaut.
    Beim Näherkommen sah Philippa, daß es keinen Burggraben gab. Das war auch nicht nötig, denn die Burg lag ja erhöht. Dafür waren eine Reihe von Hindernissen davor errichtet. In unregelmäßigen Abständen ragten verrostete Lanzen aus dem Boden, deren scharfe Spitzen den Pferden des Feindes die Bäuche aufschlitzen und dem Reiter in die Kehle stechen würden, wenn er darauf

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