Die Stimme der Erde
ist aber Philippa mit des Königs Segen meine Gattin geworden. Es gibt auch keinen mehr zu befreien. Ich erwarte daher, daß du jetzt abziehst. Hörst du jetzt auf zu jammern, und kehrst nach Crandall zurück?«
Noch während Dienwald sprach, kamen hinter dem Regenschleier verschwommen Walters Männer in Sicht. Sie wirkten tief bedrückt und unsicher: Der Wolkenbruch ließ etwas nach.
Philippa sagte beschwörend: »Walter, ich bin mit Dienwald verheiratet. Ich bin seine Frau. Lord Henry und Robert Burnell, des Königs Kanzler, können es bezeugen. Es ist die Wahrheit. Laß uns gehen!«
Walter knirschte mit den Zähnen. Sein ewiges Mißgeschick trieb ihn zum Wahnsinn. Sollte ihm verwehrt bleiben, was ihm durch Geburtsrecht zustand. Er hatte bisher nichts gewonnen. Das Leben verfuhr ungerecht mit ihm. Und er würde nie eine Entschädigung erlangen, wenn er sie sich nicht mit eigener Hand nahm. Und jetzt hatte er auch noch mitansehen müssen, wie sein Todfeind sich mit seinem Mädchen vergnügte, das ihm zustand. Er hob das Gesicht und schrie seine Wut zum Himmel hinauf.
Es hörte sich erschreckend an. Er war ein heulender Schrei des Schmerzes, der Niederlage, der Vernichtung. Die schrille Klage des Mannes, der seinen Glauben an sich selbst verloren hatte. Philippa barg den Kopf an Dienwalds Brust.
Dann schwieg Walter, und einige seiner Männer bekreuzigten sich. Das quälende Schweigen hielt an. Es war eine gespenstische Szene. Und der Regen prasselte auf sie nieder. Der schräge Graben, in dem Dienwald mit Philippa stand, füllte sich mit Wasser.
Plötzlich zog Walter das Schwert und sprang in die Böschung. Er prallte mit seinem ganzen Gewicht gegen Dienwalds Brust und warf ihn rücklings zu Boden. Philippa wurde zur Seite geschleudert und platschte bis zu den Knien im Wasser. Mit heftig rudernden Armen mühte sie sich hoch und versuchte, im prasselnden Regen auf den Beinen zu stehen.
Walters blankes Schwert zielte auf Dienwalds Brust. Dienwald hatte als einzige Waffe ein Messer. Er hielt es in der rechten Hand, wechselte es dann in die linke, um Walter zu verwirren.
Leise sagte er: »Nun, was ist, du dummer Trottel? Komm! Jetzt wollen wir mal sehen, ob du mit deinem Schwert etwas ausrichtest! Oder willst du wie ein Ölgötze stehen bleiben?«
Walter stieß einen Wutschrei aus und stürmte mit ausgestrecktem Schwert auf Dienwald zu. Der entzog sich dem tödlichen Stoß geschickt durch einen Seitwärtsschritt. Doch dann rutschte er auf dem nassen Gras aus, verlor das Gleichgewicht und fiel rücklings zu Boden.
Philippa hatte einen Stein aufgehoben und warf ihn mit aller Kraft auf Walter. Er traf ihn genau an der Brust. Verdutzt sah er sie an.
»Philippa? Warum hast du das getan? Ich will dich doch retten. Ich will ihn töten, und dann kommst du mit mir.«
Walter drehte sich wieder zu Dienwald um. Doch der war schon wieder auf den Beinen und machte eine Bewegung nach rechts, um dem Schwertstoß von Walter auszuweichen.
Der Kampf schien endlos zu dauern. Doch wußte Philippa, daß Dienwald unterliegen würde. Sein Messer war Walters Schwert nicht gewachsen. Plötzlich hörte sie Schreie von der Straße.
Die beiden kämpfenden Männer achteten nicht darauf.
Philippa hatte einen anderen Stein aufgehoben und wartete auf den Moment, auf Walter einzuschlagen. Aber die beiden Männer standen so dicht nebeneinander, daß sie fürchten mußte, aus Versehen Dienwald zu treffen.
»Philippa! Zur Seite!«
Sie wirbelte herum und sah nach oben. Über ihnen stand Graelam de Moreton auf der Straße. Neben ihm ein zweiter Mann, Roland de Tournay. Gebannt sah Philippa, wie Roland einen schmalen Dolch aus dem Gürtel zog, dessen silbern glänzender Griff auch im grauen Licht funkelte. Er zielte einen Augenblick. Dann warf er den Dolch. Er flog so schnell durch die Luft, daß Philippa seinen Flug nicht verfolgen konnte.
Sie hörte auf einmal einen gurgelnden Laut und drehte sich um. Der Dolch war tief in Walters Brust eingedrungen. Er ließ das Schwert fallen, packte den Elfenbeingriff des Dolches, zog die Waffe heraus und starrte auf die blutrote Klinge. Dann schaute er nach oben zu Roland de Tournay.
Verwirrung überzog sein Gesicht. Er fragte: »Kenne ich dich? Warum tötest du mich?«
Das waren seine letzten Worte. Mit dem Gesicht nach unten fiel er in das Wasser.
Keuchend stand Dienwald über ihm. Stirnrunzelnd betrachtete er Walters Leiche. »Das war ein guter Wurf. Aber Ihr habt vorschnell gehandelt. Ich stand
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