Die Stimme der Jaegerin
waren so stark, dass er sich fast übergeben musste. Er atmete flach, weil die Bandagen an seinen gebrochenen Rippen nichts anderes zuließen.
Ruhe, Wärme, goldenes Licht. Darauf konnte er sich keinen Reim machen. Als er sich mühsam zu orientieren versuchte, bewegte sich ein Fuß neben seinem Kopf. Der Fuß steckte in einem Turnschuh und hing an einem langen, schlanken, jeansbedeckten Bein. Lautlos fletschte er die Zähne. Er erinnerte sich an Füße in Stahlkappenstiefeln. Wenn er gekonnt hätte, hätte er sich auf dieses Bein gestürzt, um es zu zerfleischen.
Dann stieg ihm ihr Geruch in die Nase. Der Geruch der Frau.
Bei ihrer Ankunft war er in einem trockenen, heißen Meer aus Schmerz ertrunken, aufgescheuert vom endlosen Sand und versengt von der Sonne. Sie hatte seinen Kopf in ihren langgliedrigen, starken Händen gewiegt und seinen Mund und die ausgedörrte Kehle mit kühlem Wasser benetzt.
Als es für ihn keinen Grund mehr gab, weiterzuleben, hatte sie ihm zugeflüstert: »Stirb nicht.«
Also war er nicht gestorben.
Jetzt waren sie zusammen an diesem ruhigen, warmen, goldenen Ort. Wo immer das sein mochte. Es klopfte an der Tür. Der Hund versuchte auf die Füße zu springen, um sie zu beschützen, doch sein misshandelter Körper wollte ihm nicht gehorchen. Die Augen einen Spalt geöffnet, beobachtete er, wie sie aufstand. Sie war eine hochgewachsene Frau und bewegte sich mit einer selbstsicheren, tödlichen Anmut. Durstig sog seine Seele diesen Anblick in sich auf. Kurz bevor sie die Tür öffnete, steckte sie sich hinter dem Rücken eine Pistole in den Bund ihrer Jeans und verbarg sie unter ihrem Sweatshirt.
Sie war es gewesen, die die Waffe durchgeladen hatte. Wenn er gekonnt hätte, hätte er gelächelt.
Kalte Luft durchschnitt die Wärme. Eine verwitterte Stimme sagte: »Kommen Sie zurecht?«
»Ja, danke«, antwortete die Frau. »Gemütlich hier.«
Die Stimme war männlich. Der Hund knurrte, ein heiseres, gebrochenes Geräusch. In seinen malträtierten Halsmuskeln explodierte frischer Schmerz. Die Frau drehte sich um und sah ihn eindringlich an. »Schhh.«
Der ruhige Befehlston in ihrer Stimme verblüffte ihn so sehr, dass er verstummte. Dennoch hielt er die Lefzen zurückgezogen und zeigte dem Neuankömmling die Zähne.
»Er ist wach«, sagte der Mann. »Das ist ein bisschen früh.«
»Ja?«, fragte die Frau.
Der Mann sagte: »Das muss nicht zwingend etwas heißen. Es ist nur ein bisschen früh.«
»Verstehe.«
»Ich will mir etwas aus dem Diner holen. Es ist nichts Ausgefallenes, aber sie machen gutes Essen. Soll ich Ihnen ein Abendessen mitbringen?«
»Das wäre fantastisch, danke.« Die Frau kramte in ihrer Jeanstasche, zog etwas heraus und gab es dem Mann. »Ich nehme das, was Sie auch nehmen. Und könnten Sie noch ein Gericht mit viel gut durchgegartem Rindfleisch und am besten auch etwas Soße bestellen? Ich gehe morgen einkaufen, aber fürs Erste hätte ich gern etwas hier, nur für alle Fälle.«
»Kein Problem.«
Als der Mann die Tür schloss, riss der kalte Luftstrom ab.
Jetzt, da der Mann fort war, wurde die Welt vor den Augen des Hundes unscharf. Er begann wegzudämmern.
Die Frau ließ sich vor seinem Gesicht auf Hände und Knie sinken. »Ich bin Claudia Hunter. Kannst du sprechen? Ich wüsste gern, wer du bist und wer dir das angetan hat.«
Er ignorierte sie.
Telepathisch sagte sie:
Hast du die Sprache verloren? Komm schon, sag was. Gib mir ein Zeichen, dass du mich verstehst.
Er schloss die Augen.
»Hast du gar nichts zu sagen? Vorhin warst du so ein braver Junge und hast mich nicht gebissen. O ja, was für ein feiner, braver Kerl du doch bist, ja.« Sie hielt inne und säuselte dann: »Ich glaube, ich nenne dich Goldstück.«
Er schlug die Augen auf und sah sie voll beleidigter Verblüffung an.
Die Augen der Frau weiteten sich. Herrliche Augen. Sie flüsterte: »Heilige Scheiße, du bist ein Wyr.«
Was sollte sie jetzt mit einem schwer verletzten Wyr in Tiergestalt anstellen, der nicht sprechen wollte?
Sie hatte keine Ahnung. Das würde sie sich nach und nach überlegen. Sie fuhr ihren Laptop hoch. Ein Laptop mit Satellitenkommunikation war kostspielig, insbesondere zusätzlich zu dem Satellitenhandy, aber Claudia war zu dem Entschluss gekommen, dass der bessere Empfang im Notfall seinen Preis wert war. Diese Entscheidung zahlte sich aus, wenn sie unterwegs war.
Leider hatte das Wetter starken Einfluss auf die Satellitenverbindung. Sie versuchte, ins
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