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Die Stimme des Blutes

Titel: Die Stimme des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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geglaubt, denn er wußte, daß ich viele Rezepte von meiner Großmutter geerbt hatte. Aber dann kam sein tödlicher Unfall, und wir waren Damon Le Mark auf Gnade und Ungnade ausgeliefert.«
    So hatte sich Damon also an seinem Halbbruder gerächt, indem er mit dessen Witwe schlief und ihren Liebhaber ermordete. Unerträgliche Strafen! Auch Roland fragte sich, warum Damon Le Mark darauf verzichtet hatte, Katherine von der möglichen Hochzeit ihrer Tochter mit deren Onkel, dem Grafen von Clare, zu unterrichten. Das hätte ihm doch eigentlich gefallen müssen, weil der Gedanke für Katherine furchtbar gewesen wäre. Dann fiel Roland jedoch ein, daß Le Mark es wahrscheinlich deshalb nicht getan hat, weil es sonst Colchester hätte zu Ohren kommen können.
    »Was meinst du, Daria? Willst du ihnen die Ohren abschneiden lassen? Sollen wir sie zu Eunuchen machen? Oder willst du, daß ich ihnen ein Schwert durch den Leib jage?«
    »Nein«, sagte sie. Sie war sehr bleich geworden. »Ich hätte also beinahe meinen Onkel geheiratet.«
    »Ja, aber es ist nicht dazu gekommen.« Doch dein Onkel hat dich vergewaltigt, nicht wahr, und du hättest das Kind einer inzestuösen Verbindung zur Welt gebracht.
    »Es ist mir nie in den Sinn gekommen, daß der Graf von Clare Daria heiraten könnte«, sagte Katherine. »Der Gedanke hätte mich in den Wahnsinn getrieben. Du mußt mir verzeihen, mein Kind, aber ich wollte nicht, daß du die Wahrheit erfährst. Vielleicht wirst du mich deswegen verachten und ...«
    Plötzlich begann Daria laut zu lachen. Es war ein Lachen so voller Schmerz, daß es allen in den Ohren gellte. Stockend brachte sie heraus: »Das ist zu viel, Roland. Begreift ihr denn nicht?« Ihre Stimme wurde schärfer, fast schrill. »Begreift es denn keiner? Wenn ich das Kind nicht verloren, sondern zur Welt gebracht hätte, dann hätte es sogar vielleicht dem Grafen von Clare ähnlich sehen können, weil er immerhin sein Großonkel gewesen wäre!«
    In einem merkwürdig klingenden Singsang fuhr sie fort: »Ja, und dann hättest du mir nie geglaubt, Roland. Du hättest das Kind betrachtet und gesagt: >Ah, sieh dir seine roten Haare an! Der Graf von Clare ist der Vater, und ich hatte recht, daß Daria eine Lügnerin ist!<«
    Sie warf einen langen Blick auf Roland und sagte: »So ist es zwar nicht gekommen, und dennoch habe ich nichts gewonnen. Für mich ist es aus, ich habe verloren. Du brauchst dir keine Vorwürfe mehr zu machen, Mutter. Nun, wenn ich wirklich ein Urteil über die beiden Grafen fällen soll, so lautet es: Sie sollen gegeneinander kämpfen. Ich will, daß sie zum Zweikampf antreten. Sie haben es beide verdient. Wäre der Graf von Clare nicht so feige gewesen, dann hätte er mich nicht entführt, sondern wäre zu Damon gegangen und hätte ihn zum Zweikampf gefordert, wie es ein Ehrenmann mit seinem Feind tut. Auch Damon Le Mark verdient nur Verachtung, weil er Roland das Geheimnis meiner Geburt verschwiegen hat. Es war ihm gleichgültig, was aus mir wurde. Er nahm es sogar in Kauf, daß mein Onkel mit mir schlafen würde. Vielleicht empfand er es als besonders witzigen Schlag gegen meine Mutter und den Grafen von Clare.«
    Wiederum lachte Daria laut auf. »Noch einmal, Roland, will ich meine Lüge wiederholen, und dann sollst du sie nie mehr aus meinem Munde hören. Der Graf von Clare hat nie mit mir geschlafen und auch kein anderer Mann außer dir. Er hat mich erniedrigt, aber nicht in sein Bett geholt. Wirst du es nun so machen, wie ich es wünsche?«
    Roland fühlte sich in einen Wirbel widerstreitender Empfindungen verstrickt. Doch war er jetzt geneigt, ihr zu glauben. Der Graf von Clare hatte sie also nicht vergewaltigt. Bei allen Heiligen, angesichts der Tatsache, daß der Graf von Clare von ihrem Blut, ihr eigener Onkel war, wäre es Daria unmöglich gewesen, ihre Behauptung aufrechtzuerhalten, falls sie eine Lüge war.
    Nachdenklich sagte er: »Es sei, wie du es wünschst.«
    Graelam warf ein: »Und wenn einer den anderen tötet? Was werden wir mit dem Überlebenden tun?«
    Ohne sichtbare Gefühlsbewegung antwortete Daria: »Er geht frei aus.«
    Roland nickte zustimmend. Doch gleich darauf wechselte er einen Blick mit Graelam, der einen stillschweigenden Pakt zwischen ihnen besiegelte.
    Es war ein warmer Nachmittag im Frühherbst, aber es wehte ein scharfer, schneidender Wind.
    Nie würde Daria je die Mienen, die Wut und den blanken Haß der beiden Männer vergessen. Jeder trug nur einen Lendenschurz und

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