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Die Strafe - The Memory Collector

Titel: Die Strafe - The Memory Collector Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meg Gardiner
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Los Gatos und ein bisschen Anerkennung. Und eine echte Chance.
    Rusty zielte mit dem Lauf auf Lesniaks Brust. »Sie geben es mir jetzt, und dann verraten Sie mir, wer hinter dem Ganzen steckt.«
    Ein Schäferhund, der sich gegen die Herde wandte.
    Plötzlich begann es Lesniak am ganzen Körper zu jucken. Er fühlte sich nackt. Starrte in die Mündung, die auf seinen fülligen, schwitzenden Bauch deutete. Sag was. Sei ein Mann. »Oder?«
    »Oder Sie geben es mir.« Rustys Gesicht blieb ausdruckslos. »Wobei ›geben‹ eher locker definiert ist. Freiwillig oder unfreiwillig - das liegt ganz bei Ihnen.«
    »Sie können mich nicht umbringen. Captain Wally hat Sie gesehen, sein erster Offizier und sein Cousin auch. Das sind alles Zeugen.«
    Der Lauf rührte sich nicht.
    Die erste Andeutung eines Wimmerns wehte durch Lesniaks Kehle. Rusty hatte sie geschmiert. Natürlich. Die Sambier verdienten doch höchstens zwei Dollar am Tag. Wahrscheinlich hatte er sie für den Preis eines Big Mac gekauft.
    Und niemand wusste, dass Lesniak hier war. Den Leuten von der Firma hatte er erzählt, dass er noch einen Kurzurlaub in London einschieben wollte, bevor er in die Bay Area zurückkehrte. Auch im Hotel heute hatte er niemandem etwas von seinem geplanten Bootsausflug verraten. Und Captain Wally hatte er einen falschen Namen genannt.
    Es würde Wochen dauern, bis man ihn vermisste.
    In der Ferne schwoll das Rauschen des Wassers zu einem
Donnern an. Lesniak spähte flussabwärts. Hinter einer baumgesäumten Biegung hingen Dunstschwaden in der Luft, so dicht, dass sie den Blick verstellten. Dafür herrschte in seinem Kopf schlagartig Klarheit.
    Rusty war hier, um die Flasche an sich zu bringen. Vielleicht für sich, vielleicht für den Firmenchef, vielleicht für eine der Gruppen, die jeden Preis zahlen würden, um an ihren Inhalt zu gelangen.
    Ob Rusty ihn erschoss, bevor er ihm die Flasche abnahm oder danach, spielte keine Rolle. Der Mann wollte ihn auf jeden Fall umlegen.
    Lesniak tat einen taumelnden Schritt zur Seite und sprang über Bord.
    Er landete schmerzhaft auf dem Bauch. Das Wasser umfing ihn, als hätte ihn ein Drache verschluckt. Die Strömung packte ihn und zerrte ihn in einem Tempo mit, das er nie für möglich gehalten hätte. Reflexartig öffnete er die Augen und sah blaue Finsternis. Mit wilden Bewegungen ruderte er nach oben und tauchte auf. Schnappte nach Luft.
    Der vom Sommerregen angeschwollene Fluss rollte ihn hin und her, als wäre er ein Dorn in der eisigen Haut des Drachens. Das Ufer war nur noch ein ferner Streifen aus grünem Gras. Heftig um sich schlagend, kämpfte er darum, nicht in den Fluten zu versinken, die ihn gnadenlos mit sich rissen.
    Zehn Meter links von ihm hielt das Boot mit ihm Schritt.
    Verdammt. Er trat um sich und spürte, wie die Flasche an sein Bein stieß. Kleider und Schuhe zogen ihn abwärts. Das Boot glitt heran.
    »Geben Sie mir die Hand«, rief Rusty.

    »Nicht schießen.« Eine Welle hob ihn hoch, und er erkannte eine Gruppe winziger Inseln. Bis zum Rand dicht mit Bäumen bewachsen, deren Äste in den Fluss hingen.
    »Die Hand!«
    Wenn er es bis unter die tief hängenden Äste schaffte, konnte ihn Rusty nicht mehr erreichen. »Wenn Sie schießen, geht die Flasche mit mir unter«, gurgelte er.
    »Wenn Sie tot sind, treiben Sie erst mal eine Weile. Auf jeden Fall lang genug, dass ich Ihre Leiche bergen kann. Ob lebendig oder tot, Sie geben mir das Zeug. Was ist Ihnen lieber?«
    Ein Schluchzen drang aus Lesniaks Mund.
    »Hören Sie. Ich tausche. Ich krieg das Zeug, Sie kriegen das Jetboot.«
    Lesniak drosch um sich. Immer wieder verdeckten ihm die schaukelnden Wogen den Blick auf die Inseln. Zu den Bäumen, ja. Dort konnte er sich verstecken.
    Seine Arme waren bleischwer, die Lunge brannte, Wasser schwappte ihm in den Mund. Hustend spähte er nach vorn, sah Wellen, Äste, einen Baumstamm. Die Inseln kamen näher.
    Plötzlich zuckte der Baumstamm mit dem Schwanz.
    Er kreischte. Der Adrenalinstoß war so heftig, dass der Sonnenuntergang weiß aufstrahlte. Der Schwanz peitschte zurück. Das Krokodil schwamm direkt vor ihm. O Gott, o Gott …
    Wimmernd warf er sich herum. Der Fluss schob ihn auf das Reptil zu.
    Dann war das Boot wieder neben ihm. Rusty brüllte: »Los, an Bord, schnell.«

    Lesniak haschte nach dem Rumpf, doch seine Hände rutschten ab. Hysterie stieg in ihm auf. In seinen Ohren vermischten sich Motordröhnen, Wasserrauschen und panisches Schluchzen. Wieder scharrte er

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