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Die Strasse des Horus

Die Strasse des Horus

Titel: Die Strasse des Horus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Gedge
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Bedeutung behielt oder nicht. Ich muss ehrlich und klug sprechen, dachte sie erschrocken. Drei Paar Augen richteten sich auf sie, zwei bänglich forschend, das dritte belustigt, und da merkte Aahmes-nofretari, dass die heftige Beschimpfung der bäuchlings hingestreckten Männer nur gespielt gewesen war. Aber wie weit gespielt?, überlegte sie. Was will er? Noch mehr Vergeltung? Zwei weitere Hinrichtungen? Einen Grund, sie zu begnadigen?
    Nein, sagte sie sich entschieden. Ich versuche nicht herauszubekommen, was er von mir will. Ich urteile selbst, ich allein. »Begnadigung kann als Schwäche ausgelegt werden«, begann sie vorsichtig. »Dennoch stellt die Maat Gnade über alles, und zusammen mit Gerechtigkeit ist sie eine Eigenschaft, die jeder König besitzen muss.« Sie wandte sich ganz an Ahmose. »Gerechtigkeit ist voll zuteil geworden, Majestät«, fuhr sie fort. »Unser Bruder ist tot. Seine Mörder sind hingerichtet. Mesehti und Machu haben die letzten Aufrührer verfolgt und erschlagen und haben sich damit ein Stück Maat neu erworben, das sie vorher fortgeworfen hatten. Erweise dich mit deiner ersten Tat als nachsichtiger König.« Jetzt zwinkerte er ihr zu, und in seinen Augen funkelte es.
    »Nachsicht vielleicht, aber nicht Vergebung«, gab er zurück. »Noch nicht. Die muss verdient werden. Wo sind eure Soldaten?«
    »Die marschieren am Rand der Wüste, Majestät«, sagte Machu hastig. »Und dürften morgen eintreffen.«
    »Dann heraus aus der Sonne und in die Gästezimmer«, befahl Ahmose. »Dank eurer Königin habt ihr eine allerletzte Gelegenheit, euch zu bewähren. Versagt nicht noch einmal.« Er kehrte den sich Verneigenden den Rücken, ergriff Aahmes-nofretaris Arm und schlenderte zum Haus.
    »Eins verstehe ich nicht, Ahmose«, sagte Aahmes-nofretari stockend. »Du schreist sie zornig an, aber ich merke, es ist gespielt. Hast du die ganze Zeit vorgehabt, sie zu verschonen, und ich habe einfach gesagt, was du längst beschlossen hattest?«
    »Nein«, erwiderte er. »Mein Zorn war echt, aber er sollte gespielt wirken. Falls du ihre Hinrichtung angeraten hättest, ich hätte es getan, doch ich bin froh, dass du weißt, was Macht ist, aber auch in welche Falle man tappen kann, wenn man Gnade walten lässt. Hoffen wir, dass es diesmal keine Falle ist.«
    »Das verstehe ich nicht.«
    »Dann lass es dir sagen. Ich habe Kamose geliebt«, fuhr er langsamer fort. »Er war tapfer und klug und hat Achtung eingeflößt, aber diese Achtung war immer von Angst gefärbt. Das war dumm von ihm. Sein Benehmen war schroff, seine Rache gnadenlos. Die Qualen, die wir gelitten haben, sind unmittelbar durch seine erbarmungslose Besessenheit ausgelöst worden, die Setius auszulöschen. Das hat die kleinen Leute erschreckt und die Fürsten gekränkt. Ich habe ihn geliebt«, wiederholte er jetzt mit zitternder Stimme, »aber das Ende seiner schrecklichen Besessenheit war klar vorauszusehen.«
    »Ahmose«, unterbrach ihn Aahmes-nofretari besorgt. »Willst du damit sagen, dass du den Kampf aufgibst? Ägypten Apophis überlässt?«
    »Ihr Götter, nein! So doch nicht. Mein eigener Hass und Rachedurst brennen genauso heiß wie Kamoses. Aber ich gehe anders vor. Ich werde lächeln, lächeln. Ich werde Titel und Beförderungen und Belohnungen verteilen. Die Fehler meines Bruders mache ich nicht, und darum treibe ich alle Setius mit der Peitsche zurück nach Rethennu, wohin sie gehören.«
    »Aha, ich verstehe«, sagte Aahmes-nofretari zögernd. »Kamose hat eine Zwangsherrschaft ausgeübt, du willst die Fürsten feinfühliger lenken. Aber, Ahmose, wenn unser Bruder Ägypten nicht mit der Peitsche seines Schmerzes und seiner Wut gestraft, wenn er die Fürsten nicht zur Tat getrieben und Ägypten in Blut getaucht hätte, dann würde deine Strategie nicht funktionieren. Er hat das Gift für dich herausgeholt. Er hat den Weg für ein sanfteres Vorgehen frei gemacht.«
    »Und das sollte ich ihm danken? Aahmes-nofretari, du hast Angst gehabt, deinen Gedanken zu Ende zu denken. Du hast Recht. Ich verdanke ihm sehr viel. Er war wie ein Bauer, der ein Feld bekommt, das seit Hentis nicht bestellt worden ist. Er musste roden und das Unkraut verbrennen. Das weiß ich. Das erkenne ich an. Aber mehr verdanke ich ihm nicht. Er war ein wenig irre.« Sein beringter Finger legte sich auf die Narbe hinter seinem Ohr und rieb sie zerstreut. Diese Geste wurde ihm zur Gewohnheit, und Aahmes-nofretari sah darin allmählich ein Anzeichen, dass er

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