Die Strasse ohne Ende
Satzes drückte er ab, aber auch Amar Ben Belkacem schoß mit dem untrüglichen Instinkt des Naturmenschen für Gefahr. Groß sahen sich die beiden Gegner an – es war ein langer, plötzlich verschleierter Blick –, dann sanken sie auf die dicken Teppiche, und die Waffen polterten aus ihren Händen.
Wie gelähmt stand Dr. Handrick vor den beiden Toten. Doch dann riß er sich herum und rannte durch die hintere Tür weiter ins Innere des Hauses. Er jagte die Kellertreppe hinab. »Hilde!« brüllte er. »Hilde! Wo bist du? Hilde!« Eine alte, dicke Frau, dieselbe, die ihn am Vormittag im Hof verflucht hatte, trat ihm entgegen. Er schleuderte sie an die Wand, wo sie heulend hocken blieb. Vor einer Tür am Ende des Kellers blieb er stehen. Er hörte, wie jemand von innen an das Holz schlug. Eine Glückswelle spülte in ihm hoch. Er warf sich mit der Schulter gegen die Türfüllung, immer und immer wieder. Endlich brach die Tür ein, er stürzte in den Raum und krachte zu Boden. Aber noch im Fallen sah er Hilde, die zurückgewichen war. Ihr Schrei war das Letzte, was er hörte, dann umfing ihn das Dunkel der Bewußtlosigkeit.
Als er erwachte, lag er in Hildes Schoß, und sie wusch sein Gesicht. Sie waren noch im Keller, es mußte eine kurze Ohnmacht gewesen sein, denn im Haus war noch alles still. Er sah in ihre Augen und lächelte. »Hilde«, sagte er leise. »Jetzt bin ich endlich da.«
»Ich hatte keine Hoffnung mehr.«
»Ich hatte es dir versprochen.« Er richtete sich auf. Im Kellerflur hörte er plötzlich wieder die Frau wimmern. Da erst erinnerte er sich der Gefahr, in der sie schwebten. Er sprang auf, riß Hilde an sich und rannte mit ihr aus dem Keller. In dem Vorderraum lagen Amar Ben Belkacem und Grandtours noch so verkrümmt, wie er sie verlassen hatte. Mit letzter Kraft hob er Hilde über die Toten hinweg, während sie ihr Gesicht schluchzend an seinem Hals verbarg. Dann riß er die Tür auf und stolperte auf die Straße.
Dort stand ein anderer Mann, an die Mauer gelehnt, gestützt auf einen Araberjungen. »Sie haben das Mädchen!« keuchte er. »Wunderbar.« Er sah Dr. Handrick groß an. »Wer sind Sie?«
»Dr. Handrick.«
»Und Grandtours?«
»Der Mann, der in das Haus eindrang? Der ist erschossen!«
»Erschossen?«
»Von Amar Ben Belkacem. Aber auch dieser ist tot.«
Dr. Sievert bedeckte die Augen mit den Händen. Er wandte sich ab, so, als wolle er gehen, aber dann fuhr er plötzlich herum. Er sah Hilde groß an, und etwas wie Wehmut durchfuhr ihn. Dr. Handrick, dachte er. Natürlich, Dr. Handrick. Er liebt sie ja. Ich wußte es ja immer. Und ich lebte in der Illusion, sie auch zu lieben! Ich Narr! Aber sie ist frei, sie lebt – ist das nicht genug, um glücklich zu sein? Ich werde wieder in die Wüste ziehen. Er wandte sich zu dem Haus, in dem Grandtours lag. Stumm senkte er den Kopf, schloß die Augen und faltete die Hände. Ich danke ihm für alles, was er für uns getan hat. Er war ein guter Mensch.
Dann fuhr er herum und blickte Dr. Handrick und Hilde an. »Fort von hier!« keuchte er. »Diese Ruhe ist nur noch kurz! Sidi Mohammed Ben Scheik el Mokhtar ist hier – Sie wissen nicht, wer er ist. Kommen Sie schnell! Wir haben drei Kamele außerhalb der Stadt in den Bergen stehen.« Er stützte sich auf den Jungen, der bis jetzt stumm neben ihm gestanden hatte. »Voran, Ferrai!« schrie er. »Bring uns zurück!« Er schwankte voran.
Dr. Handrick, der Hilde umfangen hielt, kam an seine Seite und berührte seine glühende Hand. »Mann, Sie haben ja Fieber!« rief er.
»Ja!«
»Sie gehören ins Bett!«
»Bett!« lachte Dr. Sievert. »Ins ewige Bett – ja. Aber erst bringe ich Sie in Sicherheit.«
»Wer sind Sie?« fragte Dr. Handrick im Laufen.
»Ein Mensch! Was interessiert Sie das? Laufen Sie schneller! Und auch Sie, mein Fräulein, rennen Sie, so schnell Sie können!«
Sie liefen durch die stillen Straßen der heiligen Stadt. Um den großen Platz vor der Moschee machten sie einen Umweg, denn in der Nacht lagerten hier die Pilger, die am Morgen in dem Heiligtum beten wollten. Erst am Fuß der Felsen, wo die Straße in den Weg nach Bou Saâda mündet, hielt Dr. Sievert an und lehnte sich röchelnd gegen eine Palme. Ferrai hielt ihn aufrecht, während Dr. Handrick stumm nach seinem Handgelenk griff und den Puls fühlte. Das Blut jagte durch die Adern.
»Sie sind wahnsinnig, in diesem Zustand solche Anstrengungen auf sich zu nehmen!« schrie er. »In Bou Saâda kommen Sie sofort ins
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