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Die Straße

Die Straße

Titel: Die Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cormac McCarthy
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Gebeine von den Nadelbäumen dahinter abhoben. Der Ufersaum ein Wirrwarr verkrümmter Stümpfe, grau und verwittert, Windbruch eines Jahre zurückliegenden Sturms. Die Bäume selbst waren längst zersägt und als Feuerholz fortgeschafft worden. Sein Onkel wendete das Boot und legte die Ruder ein, und sie trieben über die sandigen Untiefen, bis das Heck im Sand knirschte. Ein toter Flussbarsch trieb bauch-oben im klaren Wasser. Gelbe Blätter. Sie ließen ihre Schuhe auf den warmen, gestrichenen Brettern, zogen das Boot auf den Strand und brachten den an einem Tau befestigten Anker aus. Ein mit Beton ausgegossener Schweinefetteimer mit einem Ringbolzen in der Mitte. Sie gingen am Ufer entlang, während sein Onkel, ein zusammengerolltes Seil über der Schulter, die Baumstümpfe in Augenschein nahm und dabei seine Pfeife paffte. Er suchte einen aus, und sie wälzten ihn, die Wurzeln als Hebel nutzend, so lange herum, bis er halb im Wasser schwamm. Die Hosen bis zu den Knien aufgekrempelt, aber sie wurden trotzdem nass. Sie befestigten das Seil an einer Klampe am Heck des Bootes und ruderten über den See zurück, zogen den Stumpf langsam ruckend hinter sich her. Da war es schon Abend. Nur das langsame, regelmäßige Knarren und Schurren der Dollen. Der See dunkles Glas, und am Ufer gingen Fensterlichter an. Irgendwo ein Radio. Keiner von ihnen hatte ein Wort gesagt. Das war der vollkommene Tag seiner Kindheit. Der Tag, dem es nachzueifern galt.
     
    In den folgenden Tagen und Wochen hielten sie sich weiterhin südlich. Einsam und hartnäckig. Unwirtliches Hügelland. Aluminiumverkleidete Häuser. Zuweilen konnten sie zwischen den kahlen Beständen von Nachwuchsholz hindurch Abschnitte des Interstate Highway sehen. Kalt, und es wurde immer kälter. Unmittelbar hinter dem hohen Sattel in den Bergen blieben sie stehen und blickten hinaus über die große Kluft nach Süden, wo das Land, so weit das Auge reichte, abgebrannt war: geschwärzte Felsformationen ragten aus den Aschebänken, Ascheschwaden wallten auf und wehten durch die Einöde Richtung Flachland. Hinter der Düsternis zog die stumpfe Sonne kaum sichtbar ihre Bahn.
     
    Sie brauchten Tage, um dieses kauterisierte Gelände zu durchqueren. Der Junge hatte ein paar Buntstifte gefunden und seinen Mundschutz mit Fangzähnen versehen, und er trottete, ohne zu klagen, dahin. Eines der Vorderräder des Wagens hatte zu eiern angefangen. Was tun? Nichts. Wo alles vor ihnen zu Asche verbrannt war, ließ sich kein Feuer machen, und die Nächte waren länger, dunkler und kälter als alles, was sie bisher erlebt hatten. Eine Kälte, die Steine zerspringen ließ. Einen das Leben kosten konnte. In der Schwärze drückte er den zitternden Jungen an sich und zählte jeden zarten Atemzug.
     
    Er erwachte zu fernem Donnergrollen und setzte sich auf. Überall um ihn herum schwaches Licht, zitternd und ursprungslos, im Gestöber von Rußflocken gebrochen. Er zog die Plane um sie beide und lag lange Zeit lauschend wach. Falls sie nass wurden, konnten sie kein Feuer machen, um sich daran zu trocknen. Falls sie nass wurden, würden sie wahrscheinlich sterben.
     
     
    Die Schwärze, in der er in jenen Nächten erwachte, war blind und undurchdringlich. Eine Schwärze, dass einen vom Lauschen die Ohren schmerzten. Oft musste er aufstehen. Kein Geräusch außer dem Wind zwischen den kahlen, geschwärzten Bäumen. Er stand auf und stand wankend in diesem kalten, sich selbst genügenden Dunkel, die Arme ausgestreckt, um das Gleichgewicht zu halten, während der Vestibularapparat in seinem Schädel seine Berechnungen anstellte. Eine alte Chronik. Um die Senkrechte zu ermitteln. Kein Sturz, dem nicht eine Abweichung vorausginge. Er machte große Marschierschritte in das Nichts, zählte sie ab, um wieder zurückzufinden. Mit geschlossenen Augen und rudernden Armen. Senkrecht wozu? Zu etwas Namenlosem in der Nacht, Erzgang oder Grundmasse. Dessen gemeinsamer Satellit er und die Sterne waren. Wie das große Pendel in seiner Rotunde, das den langen Tag hindurch Bewegungen des Universums verzeichnet, von dem es, kann man sagen, nichts weiß und doch, so weiß man, wissen muss.
     
     
    Sie brauchten zwei Tage, um dieses aschig verschorfte Terrain zu durchqueren. Die Straße dahinter verlief entlang einem Hügelkamm, von dem beidseits ödes Waldland abfiel. Es schneit, sagte der Junge. Er blickte zum Himmel auf. Eine einzige graue Flocke schwebte herab. Er fing sie mit der Hand und sah zu, wie sie

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