Lustig, lustig, tralalalala
Hans Rath
Wir Weihnachtsmänner
D er Weihnachtsmann nimmt noch ein Guinness», verkünde ich.
Karl schüttelt den Kopf. «Der Weihnachtsmann hat schon mehrere Drinks aufs Haus bekommen. Jetzt ist Schluss.»
Ich rücke meinen Bart zurecht, setze meine rote Mütze auf und greife nach meiner Rute. «Dann werde ich jetzt deine Gäste schikanieren.»
Karl seufzt. «Schon gut. Setz dich wieder hin. Du kriegst dein Guinness. Aber dann ist wirklich Schluss.»
Ich lasse mich wieder auf den Barhocker sinken, lege die Rute zur Seite, ziehe die Mütze ab und warte auf mein Bier. «Dafür, dass wir einen Tag vor dem Fest der Liebe stehen, bist du ganz schön hartherzig», sage ich.
Karl stellt mir mein Guinness vor die Nase. «Also, ich find mich ausgesprochen großzügig», bemerkt er locker.
«Ach ja?», frage ich. «Ein Weihnachtsmann, der sich im Kaufhaus für vier Mäuse die Stunde abrackert, muss hier um sein Bier betteln. Nennst du das etwa Nächstenliebe?»
Karl sieht mich mit ernster Miene an. «Felix, du bist seit Monaten pleite. Ich lass dich trotzdem anschreiben. Wenn das keine Nächstenliebe ist, dann weiß ich auch nicht. Ist dir eigentlichklar, dass ich meine Frau mit Juwelen behängen könnte, wenn du endlich mal deinen Deckel zahlen würdest?»
Karl hat ja recht. Angesichts meiner desolaten finanziellen Situation sollte ich den Mund nicht zu voll nehmen. Ich nippe etwas verlegen an meinem Bier. «Sind halt schwere Zeiten», murmele ich kleinlaut.
Er winkt ab. «Weiß ich doch, Felix. Geht mir ja nicht anders.»
«Wenn ich Maler wäre, könnte ich dir Bilder geben», sage ich. «Die wären dann in ein paar Jahren vielleicht ein Vermögen wert.»
Karl nickt abwesend und taucht ein paar Gläser ins Spülwasser.
«Aber ich bin nun mal leider kein Maler», setze ich nach. «Ich bin eben nur ein erfolgloser Schriftsteller.»
Karl hält inne und schaut auf. «Ach so. Du willst wissen, ob ich es gelesen hab.»
«Hast du?», frage ich nicht ohne Neugier.
Karl trocknet seine Hände, greift in eine Schublade und zieht ein paar zerknüllte Blatt Papier zutage. Er legt sie auf den Tresen und streicht sie notdürftig glatt.
«Was hast du damit gemacht?», frage ich. «Den Boden aufgewischt?»
Er ignoriert die Bemerkung. «Also», beginnt er und wirkt leicht ratlos. «Ehrlich gesagt, hab ich nicht verstanden, was Josse von Rebecca will. Liebt er sie jetzt oder nicht? Und wenn er sie liebt, warum sagt er es ihr dann nicht einfach?»
«Er sagt es ihr doch», werfe ich leicht indigniert ein. «Sogar mehrmals.»
«Aber er redet immer so geschwollen. Bestimmt versteht sie ihn nicht», erwidert Karl.
«Das ist nicht geschwollen, das ist Kunstsprache», gebe ich zurück und kann nur mühsam verbergen, dass ich nun leicht verstimmt bin.
«Willst du jetzt hören, was ich davon halte, oder nicht?», fragt Karl.
«Ja, will ich», erwidere ich patzig. «Aber eigentlich ist ja schon klar, dass dir die Story nicht gefällt.»
«Ich versteh den Typen einfach nicht», erklärt Karl ebenso hilflos wie dezidiert. «Warum sagt er Rebecca nicht klipp und klar, dass er scharf auf sie ist?»
«Aber das tut er doch!», erwidere ich aufgebracht. «Er tut es nur auf seine Weise. Warte mal. Hier …» Ich greife nach der letzten Seite des Manuskripts und halte sie Karl hin. «Hier sagt Josse zu Rebecca: ‹Mein Herz ist angebläut von deinem Lächeln, von deinem Blick gerötet.›» Ich sehe Karl an, als müssten sich damit alle seine Vorbehalte erübrigt haben.
«Genau das meine ich!», ereifert sich Karl. «So spricht doch kein Schwein!»
Ich werfe das Blatt zurück auf den Tresen. «Du hast überhaupt keinen Sinn für Poesie», motze ich.
«Und du bist offenbar angebläut», gibt Karl zurück.
«Felix!», höre ich in diesem Moment eine Stimme rufen. Ich drehe mich um und sehe einen Weihnachtsmann. Ein Kollege also. Ich glaube nicht, dass ich ihn kenne, aber offenbar kennt er mich.
«Hallo. Hey … Freut mich!», sage ich, um Zeit zu gewinnen. Vielleicht fällt mir sein Name ja noch ein.
«Hast du ’n paar Minuten?», fragt der Kollege. «Ich geb auch einen aus.»
Während der Mann einen Tisch in der Ecke ansteuert, schaue ich Karl fragend an. «Kennst du den Kerl?»
Karl schüttelt den Kopf.
Ich setze mich also zu dem vermeintlichen Kollegen. «’tschuldigung, ich weiß jetzt gerade nicht … Kennen wir uns vielleicht vom Job?»
Er legt Mütze und Bart neben sich auf den Tisch. Vor mir sitzt nun ein
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