Die stumme Bruderschaft
berühmten Doktoren, Barnet, Hynek, Tamburelli, Tite, Gonella, was weiß ich! Nicht zu vergessen Walter McCrone, der erste Wissenschaftler, der die Meinung vertrat, dass das Tuch nicht das Leichentuch von unserem Herrn Jesus Christus ist, er ist vor ein paar Monaten verstorben, Gott hab ihn selig.«
Marco dachte über diesen Doktor Bolard nach. Er wusste nicht, warum, aber er musste mehr über den Mann herausfinden.
»Können Sie mir sagen, an welchen Tagen genau dieser Doktor Bolard hier war?«
»Ja, ja, aber warum? Doktor Bolard ist ein angesehener Wissenschaftler, und ich weiß nicht, was das alles mit seiner Forschungsarbeit zu tun haben soll …«
Marco war klar, dass er dem Kardinal nicht mit Instinkt und Eingebung kommen konnte. Außerdem war es natürlich Unfug, sich für jemanden zu interessieren, nur weil er offensichtlich zurückhaltend und ein wenig verschlossen war. Er beschloss, den Kardinal um eine Liste aller Wissenschaftlerteams zu bitten, die das Grabtuch in den letzten Jahren untersucht hatten, sowie um genaue Angaben über Zeitpunkt und Dauer ihrer Aufenthalte in Turin.
»Bis wie weit möchten Sie zurückgehen?«, fragte der Kardinal.
»Wenn möglich, die letzten zwanzig Jahre.«
»Meine Güte, was wollen Sie denn damit herausfinden?«
»Ich weiß es selbst nicht, Hochwürden.«
»Sie werden verstehen, dass Sie mir eine Erklärung schulden. Was haben die Brände in der Kathedrale mit dem Grabtuch und den Wissenschaftlern zu tun, die es untersucht haben? Seit Jahren sind Sie der Ansicht, dass die Vorfälle in der Kathedrale mit dem Grabtuch zu tun haben, und ich, mein lieber Marco, kann das einfach nicht glauben. Wer sollte das Grabtuch zerstören wollen? Und warum? Und was die Versuche, es zu stehlen, angeht, so wissen Sie, dass jedes Stück in der Kathedrale ein Vermögen wert ist und dass es viele rücksichtslose Kerle gibt, die nicht einmal vor einem Gotteshaus Respekt haben. Aber auch, wenn einige der armen Teufel, die versucht haben, hier zu stehlen, etwas Unheimliches haben – ich bete dennoch für sie.«
»Sie haben bestimmt Recht. Aber Sie werden trotzdem nicht bestreiten, dass es nicht normal ist, dass bei mehreren dieser so genannten Vorfälle Männer ohne Zungen und ohne Fingerabdrücke auftauchten. Bekomme ich also die Liste? Es ist ja nur eine Formsache, ich will eben in jede nur mögliche Richtung ermitteln.«
»Nein, natürlich ist das nicht normal, und die Kirche ist besorgt. Ich habe gelegentlich, unter äußerster Diskretion natürlich, diesen armen Teufel besucht, der vor zwei Jahren versucht hat, uns zu berauben. Er sitzt vor mir und verzieht keine Miene, als würde er nichts von dem verstehen, was ich sage. Also gut, ich werde meinem Sekretär, dem jungen Priester, der Sie hergebracht hat, sagen, er soll die Angaben zusammensuchen und sie Ihnen sobald wie möglich zukommen lassen. Pater Yves ist sehr effizient, er ist seit sieben Monaten bei mir, seit mein früherer Assistent gestorben ist, und ich muss sagen, für mich ist das eine Erleichterung. Er ist intelligent, diskret, fromm, spricht verschiedene Sprachen …«
»Ist er Franzose?«
»Ja, aber wie Sie festgestellt haben, ist sein Italienisch perfekt; und außerdem beherrscht er noch Englisch, Deutsch, Hebräisch, Arabisch, Aramäisch …«
»Und wer hat ihn empfohlen, Hochwürden?«
»Mein guter Freund, der Assistent des stellvertretenden Kardinalstaatssekretärs Monsignore Aubry, ein einzigartiger Mann.«
Marco überlegte, dass die Mehrzahl der Kirchenmänner, die er kennen gelernt hatte, einzigartig waren, vor allem, wenn sie sich im Umfeld des Vatikan bewegten. Aber er schwieg und betrachtete nachdenklich den Kardinal: Er machte einen gutmütigen Eindruck, war scharfsinniger und intelligenter, als er sich anmerken ließ, und zudem ein guter Diplomat.
Der Kardinal nahm den Hörer ab und bat Pater Yves, zu ihnen zu kommen. Der kam der Bitte umgehend nach.
»Treten Sie ein, Pater, treten Sie ein. Signor Valoni kennen Sie ja schon. Er hätte gerne eine Liste von allen Delegationen, die das Grabtuch in den letzten zwanzig Jahren besucht haben. Also machen Sie sich gleich ans Werk, denn mein Freund Marco braucht sie so bald wie möglich.«
Pater Yves sah Marco Valoni prüfend an. Dann fragte er: »Verzeihung, Signor Valoni, aber können Sie mir sagen, wonach Sie suchen?«
»Pater Yves, nicht einmal Signor Valoni weiß, was genau er sucht, er will einfach wissen, wer in den letzten Jahren mit dem
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