Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde der Gladiatoren

Die Stunde der Gladiatoren

Titel: Die Stunde der Gladiatoren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
Vom Netzwerk:
Ablenkungsmanöver war. Eine List, auf die, wie ihm schmerzlich bewusst wurde, nicht einmal ein Anfänger hereingefallen wäre.
    Â»Damnatus!« Entschlossen, dem Schicksal zu trotzen, wandte sich der Secutor wieder seinem Gegner zu, biss die Zähne zusammen und riss reflexartig den Arm in die Höhe.
    Vergebens.
    Der Kampf, auf den er wie ein Besessener hingefiebert, für den er monatelang geübt, dessentwegen er sogar auf den Besuch im Lupanar verzichtet hatte, war verloren. Endgültig verloren, ohne Wenn und Aber.
    Kaum hatte er sich damit abgefunden, surrte das Netz auch schon durch die Luft und brachte den Illyrer zu Fall. Pugnax strampelte, drehte und wand sich, zerrte und hieb wie von Sinnen auf die Maschen ein, in denen er sich verstrickt hatte. Überschüttete den Gegner, der seelenruhig auf ihn zu schlenderte, mit Flüchen. Umklammerte sein Schwert, um seine Haut so teuer wie möglich zu verkaufen.
    Eine Mühe, die er sich hätte sparen können.
    Begleitet von frenetischem Jubel, näherte sich der Afrikaner dem verhassten Gegner, der wie ein Fisch in seinem Netz zappelte, ergriff seinen Dreizack und hielt Ausschau nach dem Schiedsrichter, der das Geschehen vom Rand der Arena aus verfolgt hatte. »Was zögerst du noch, Auswurf!«, hörte er Pugnax sagen, die Stimme, deren Klang etwas Tierisches anhaftete, überquellend vor Hohn. »Mach ein Ende, und grüße deine Lupa von mir!«
    Der Retiarius schien es nicht zu hören, den Blick abwechselnd auf das Publikum und auf den Schiedsrichter gerichtet, der so tat, als ginge ihn das, was nun folgen würde nichts an. Ein fairer Kampf, schien der Blick des einstigen Gladiators zu sagen, du weißt, was du zu tun hast, Herkules!
    Und ob der das wusste. Erneut, zum mittlerweile zehnten Mal, war es an ihm, das Gesetz der Arena zu befolgen. Ein Gesetz, dem zu gehorchen er verpflichtet war.
    Verpflichtet?
    Â»Iugula, Niger, iugula!«, hallte es durch die Arena, tausendfach, blutrünstig, gnadenlos. Ohne Erfolg. Der, dem die Aufforderung galt, reagierte nicht. Die Waffen gesenkt, starrte der Retiarius ins Leere, taub für die Zurufe, welche das Amphitheater in ein Tollhaus verwandelten.
    Abstechen – und wozu?
    Seiner selbst überdrüssig, fixierte Niger die Ehrenloge. Alle, bis auf sie , die ihn mit unbewegter Miene musterte, taten das Gleiche. Standen da und zeigten mit dem Daumen nach unten.
    Alle, bis auf sie .
    Niger hatte verstanden. Spät zwar, aber er hatte verstanden. »Iugula, Herkules!«, hörte er Danaos, seinen Ausbilder, noch rufen, der, berstend vor Stolz, mit seiner Handkante über die Kehle fuhr. »Mach ihn fertig, er verdient’s nicht anders!«
    Dann umklammerte Niger seinen Dreizack, holte aus und stach zu.

AMOR MORTIS

›Es ist gerade dieses Paradox – ihr geringer sozialer Stand in der römischen Gesellschaft und ihre Aussicht auf ein spannendes Leben und die Chance auf großen Wohlstand –, das viele Männer von einstmals gutem Stand in diese Profession trieb. Zumeist holten sich die Gladiatorenschulen ihren Nachwuchs von den Sklavenmärkten, aber es gab auch einige Freiwillige unter den Neuankömmlingen.‹

    (Stephen Wisdom / Nic Fields, Gladiatoren, Königswinter 2009)

LIBER PRIMUS
    (Samstag, 25. Juli 313 n.Chr.)

II
    Villa Aurelia, eineinhalb Stunden nach Sonnenaufgang
    [07:00 h]
    Das fing ja gut an.
    Gaius Aurelius Varro, Anwalt und Ratsherr zu Treveris, senkte den Kopf und ließ sich mit schmerzverzerrter Miene auf der Bettkante nieder. Ausgerechnet heute, am ersten Mußetag seit Wochen, quälte ihn wieder sein Bein, ein Andenken an die Zeit, als er noch Tribun gewesen war. Damals, während der Kämpfe gegen den Usurpator Allectus, hatte ihn ein Wurfspeer am Oberschenkel getroffen und seinen Militärdienst in Britannien jäh beendet. Geraume Zeit war sein Leben an einem seidenen Faden gehangen und nach Meinung der Ärzte, unter ihnen sein Freund Probus, keinen Sesterz mehr wert. Doch er war dem Tod entronnen, wie so häufig in jenen Tagen. Der Preis, den er dafür hatte zahlen müssen, war allerdings hoch. Sein Bein war nie wieder richtig verheilt, der Grund, den Dienst beim Militär zu quittieren.
    Â»Schon gut, Dromas – halb so wild.« Varro stieß einen halblauten Seufzer aus. So phlegmatisch sein Hund, der behäbigste Vierbeiner diesseits der Alpen, auch sein mochte, wenn es ihm

Weitere Kostenlose Bücher