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Die Stunde der Schwestern

Die Stunde der Schwestern

Titel: Die Stunde der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Maybach
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ihrer Mutter klang gereizt und aufgeregt. »Ich bin nur erstaunt, nichts weiter. Ich wusste nicht, dass du für ihn arbeitest.«
    »Doch, ich habe es dir irgendwann einmal erzählt.« Bérénice versuchte, sich zu beherrschen. Wie so oft geriet sie bei ihrer Mutter in die schwächere Position und hatte das Gefühl, sich verteidigen zu müssen.
    »Nein, nein Bérénice, das hast du mir nie gesagt. Du hast andere Namen genannt. Chanel, Lanvin, aber Malraux …«
    »Maman«, unterbrach Bérénice ihre aufgeregte Mutter. »Was ist denn los? Für dich spielt es doch keine Rolle, für wen ich arbeite. Vielleicht habe ich den Namen wirklich nicht erwähnt, aber du kennst die Modemacher doch nur aus den Zeitungen.«
    »Und?«, fragte Denise nach einer kleinen Pause, in der sie sich offenbar beruhigt hatte. »Wie sieht das Angebot aus?«
    Bérénice erzählte von dem lukrativen Vertrag, dem eigenen Atelier im Hause Malraux. Doch sie hatte das Gefühl, ihre Mutter hörte ihr kaum zu. »Freust du dich nicht für mich?«, fragte sie gereizt.
    »Doch, doch natürlich. Dann hast du wenigstens finanziell ausgesorgt. Was sagt Hippolyte dazu?«
    »Er ist nicht da, er weiß es noch nicht«, erwiderte Bérénice wahrheitsgemäß.
    »Ach so, ja … ja … Aber wieso hat dir Malraux auf einmal dieses Angebot gemacht? Ist irgendetwas passiert?«
    Bérénice hörte das Misstrauen in der Stimme ihrer Mutter.
    »Ich weiß es nicht. Obwohl ich seit vier Jahren für das Haus Malraux arbeite, habe ich ihn erst heute kennengelernt. Es war irgendwie eigenartig. Als er mich sah, wurde er blass und nannte mich … »Bérénice überlegte, bis ihr der Name wieder einfiel. »Fleur. Ja, er sagte: ›Fleur‹, und er wollte alles genau wissen, woher ich komme, wie mein Mädchenname ist und …«
    Aus dem Hörer drang ein gurgelnder Laut, dann war wieder ein schweres Atmen zu hören. Bérénice wartete besorgt, bis sich Denise offenbar wieder beruhigt hatte und gleichgültig meinte, der Designer habe sie sicher mit jemandem verwechselt, der ihr ähnlich sehe, schließlich habe er tagtäglich mit Frauen zu tun, und der Jüngste sei er wohl auch nicht mehr. »Bérénice, ich muss jetzt Schluss machen, meine Ratatouille brennt an. Salut!«
    Denise beendete das Gespräch eilig, und langsam legte Bérénice auf. Die Reaktion ihrer Mutter auf Maxime Malraux war seltsam. Aber vielleicht ging es Denise einfach nicht so gut. Hatte sie nicht neulich über Herzbeschwerden geklagt? Es war jetzt dunkel in der Wohnung, doch Bérénice machte kein Licht an, sondern rollte sich auf dem Sofa zusammen, zog die Decke hoch und vergrub ihr Gesicht in den Kissen. Sie vermisste Hippolyte, sie sehnte sich nach ihm, und sie bereute, dass sie so unversöhnlich geblieben war. Konnte sie ihm wirklich nicht verzeihen, nach all diesen Jahren?
Liebe kann verzeihen
 …, hatte er geschrieben. Sie hatte es nicht gekonnt.
    War ihre Liebe so wenig wert gewesen?
    *
    In Saint-Emile stand Denise Aubry-Déschartes reglos in ihrer Diele, noch lange, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte. Mit beiden Händen umschloss sie ihre Kehle, um das trockene Schluchzen zu unterdrücken, das ihren ganzen Körper erbeben ließ und nicht aufhören wollte, auch als sie sich gegen die Wand lehnte und versuchte, ihren Atem wieder unter Kontrolle zu bringen. Der Spiegel auf der anderen Seite warf ihr das Bild einer alten Frau zurück, mit rot gefärbten Haaren, einem verzerrten blassen Gesicht und weit aufgerissenen Augen. Einmal hatte es ja kommen müssen! Sie hatte es immer gewusst. Irgendwann, aber doch nicht jetzt! Irgendwann einmal, vielleicht … Bérénice hatte eine Spur in die Vergangenheit entdeckt. Sie war arglos, aber wie lange noch? Denise hatte jedes Gefühl für Zeit verloren, bis sie endlich ihre Hände sinken ließ, frei atmen konnte und dann langsam in die Küche ging, um den Topf mit der angebrannten Ratatouille vom Herd zu ziehen. Was sollte sie tun, wer konnte ihr helfen, was sollte sie ihrer Tochter sagen?
    Nach einer Weile gab sie sich einen Ruck, verließ die Küche und stieg, vorsichtig auf ihr steifes Bein achtend, die Wendeltreppe hinunter, die direkt in ihre Schneiderei führte.
    Am Nachmittag hatte sie das grüne Taftkleid auf den Ständer gehängt, das sie heute Abend noch bügeln wollte. Die Frau des Arztes Julien Devereux hatte es in Auftrag gegeben, um es bei der Hochzeit ihrer Tochter zu tragen. Auf dem langen Zuschneidetisch lag die Rolle mit der kostbaren weißen

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