Die Stunde der Zaem
unbekannt sein, was in Gorgan geschah.«
Zahda lachte.
»Gerade diese Tatsache ist es«, sagte sie mit Nachdruck, »die dich wirklich als Sohn des Kometen und damit zu Fronja gehörig ausweist. Weshalb sollte Zaem das nicht wissen und zu ihren Gunsten nutzen.« Sie bemerkte das flüchtige Erschrecken, das sich auf Mythors Zügen offenbarte. »Natürlich könnt ihr nicht Geschwister sein. Sei also unbesorgt, wenn du Gefallen an ihr gefunden hast. Das ist nur symbolisch gemeint.«
»Der Stein vermag demnach auch Fronja zu lähmen«, stellte er nachdenklich fest. »Welche tiefere Bedeutung liegt darin verborgen? Kannst du es mir sagen, Zahda?«
Sie lächelte noch immer.
»Ich werde dich zum Schrein der Tochter des Kometen führen, dann magst du alles besser verstehen. Aber erhoffe dir nicht zuviel, denn manches Geheimnis, das den Himmelsstein umgibt, kann niemand lösen.
Und nun gib mir deine Hand, Mythor. Es existieren nur zwei Wege in die Lichtinsel, den Lebensbereich Fronjas am Nabel der Welt. Der eine wurde eigens für Besucher geschaffen, die mancher Feierlichkeit beiwohnen wollen. Allerdings dürfen sie die Gasthäuschen nicht verlassen, in denen sie in den Kreis des Lichts aufgenommen werden.
Den anderen darfst du ausschließlich in meiner Begleitung gehen. Er führt dich unmittelbar ins Herz Vangas.«
Zusammen verließen sie den Raum, traten durch einen Torbogen hindurch, hinter dem rote Schleier wallten. Schlagartig veränderte sich die Umgebung, war das Rot wie weggewischt und machte einem hellen Leuchten Platz, das rein war in seinen Farben wie frisch gefallener Schnee. Geblendet schloß Mythor die Augen. Die plötzliche Lichtfülle erschreckte ihn, und er benötigte Zeit, sich an seinem neuen Aufenthalt zurechtzufinden. Er wußte, daß Zahda mit ihm nur von einem Haus des Regenbogendoms in ein anderes gegangen war, daß ein einziger Schritt ihn das Hundertfache dieser Entfernung hatte zurücklegen lassen. Auf magischer Ebene konnten Dinge unmittelbar nebeneinander liegen, die in Wirklichkeit durch Berge und Schluchten voneinander getrennt waren. Mythor fühlte sich seltsam leicht und unbeschwert, doch dieses Gefühl schwand in dem Maß, in dem er sich an das Licht ringsum gewöhnte. Einer stummen Verheißung gleich, brannte es sich in seine Seele ein.
»Sieh dich ruhig um«, sagte Zahda. »Früher glaubte man, Fronjas Nähe sogar körperlich wahrzunehmen, heute ist das leider anders.«
Mythor vermochte nicht viel zu erkennen. Er kam sich vor wie in einem Irrgarten und hatte Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. Zögernd schritt er aus. Sogar der Boden unter seinen Füßen schien aus Licht zu bestehen, obwohl er hart wirkte wie Fels.
Mythor war erregt. Er fühlte sein Herz heftiger schlagen als sonst. Fronja zu sehen, sie zu berühren, bedeutete ihm in diesem Moment alles.
Die Luft war mild und würzig wie ein Frühlingshauch. Tief atmete er ein, aber es gelang ihm nicht, die Ruhe zu finden, die er sich erhoffte.
Nie hatte er vor der Begegnung mit einer Frau so gebangt. Flüchtig dachte er an Nyala von Elvinon und Buruna, doch stets brach Fronjas Antlitz in seinen Gedanken durch und verdrängte alles andere.
Rief sie nicht seinen Namen?
Abrupt blieb Mythor stehen. Tatsächlich glaubte er, ihre Stimme zu vernehmen. Auch sie sehnte sich nach ihm, wollte nicht länger allein sein in einer Zeit, der es an Wärme mangelte.
Und sie hatte Angst, fürchtete sich vor dem Deddeth, der sie immer wütender bedrängte.
Noch konnte sie dieser Bedrohung standhalten.
Doch für wie lange? Der Zeitpunkt würde kommen, da die Entscheidung näher war als jemals zuvor.
Seiner Gefühle zu Fronja wurde Mythor sich unsicherer, je länger er darüber nachdachte. Er wußte, daß der Rotkreis des Regenbogendoms ihm brennende Liebe und Leidenschaft vorgegaukelt hatte, die so gewiß nicht seine eigenen waren. Doch was empfand er wirklich für die Tochter des Kometen? Konnte sie ihm Lebensgefährtin sein oder durfte er in ihr nur die Schwester sehen?
Mythor wischte sich mit einer Hand übers Gesicht, wie um die bösen Geister des Zweifels zu vertreiben.
»Die Zeit wird es erweisen«, murmelte er leise vor sich hin. Während er sich zu Zahda umwandte, fiel ihm auf, daß ihr Verhalten sich verändert hatte. Ihr Blick ging durch ihn hindurch und verlor sich in weiter Ferne.
Sie reagierte auch nicht, als er sie ansprach. Die Ringe an ihren Fingern erstrahlten in hellem Glanz.
Dann, nach einer Weile, wich die seltsame
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