Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde der Zaem

Die Stunde der Zaem

Titel: Die Stunde der Zaem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
niemand stellte sich ihnen entgegen, als sie das Haus verließen. Gerrek und Scida wandten sich dem nächsten Kreis zu, während Lankohr dorthin eilte, wo Mythor zuletzt gegen Burra gekämpft hatte. Er hoffte, daß seine Zauberkräfte ausreichten, um Spuren sichtbar zu machen.
*
    Im ersten Augenblick glaubte Mythor, Vina gegenüberzustehen. Die weißbemantelte Hexe, die auf ihn zukam, besaß eine überraschende Ähnlichkeit mit ihr.
    Dann erkannte er, daß er sich irrte. Vinas Augen waren heller gewesen, ihr Körperbau zarter, weiblicher.
    »Du bist Garwe?« fragte er aus einer inneren Eingebung heraus.
    »Zahda hat mich gebeten, mich deiner anzunehmen«, antwortete sie. »Ich hoffe, du weißt die Ehre zu schätzen, die dir zuteil wird. Kein anderer Mann durfte je die Lichtinsel betreten.«
    »Die Zaubermutter stand im Begriff, mich zu Fronjas Schrein zu führen, als sie zum Hexenrat gerufen wurde.«
    »Das war ihre Entscheidung. Ich soll dir lediglich ein Zimmer zuweisen und auf dein leibliches und seelisches Wohl achten.«
    »Demnach verlassen wir die Lichtinsel…«
    »Nein. Es ist nur eine kurze Strecke Weges.«
    Garwe ging vor Mythor her. Schon bald wurden mehrere Bauwerke sichtbar. Bleich wie Marmor schimmerten sie. Als der Sohn des Kometen eine der Seitenmauern eines hoch geschwungenen mächtigen Portals berührte, war ihm, als dringe seine Hand mehrere Fingerbreit tief ein. In Wahrheit war das Material hart, nur eben von makellosem Glanz.
    »Gefrorenes Licht«, bemerkte Garwe beiläufig. »Es hat den Vorteil, daß ein einziges Wort genügt, um ganze Hallen zu verändern. Nichts ist leichter, als solche Gebäude zu errichten, und sie überdauern selbst Äonen.«
    Die Hexe führte Mythor in einen großen Saal. Es bedurfte keiner Fackeln oder Öllampen, um diesen zu erhellen, denn ein weißes Leuchten wohnte den Wänden inne.
    Fresken zierten die Mauervorsprünge - es mochten die Abbilder der Zaubermütter sein. Mythor zählte elf an der Zahl. Nach einigem Suchen entdeckte er tatsächlich Zahdas Antlitz, und links daneben befand sich das der Zaem. Sie waren in der Reihenfolge ihrer Monde angeordnet.
    »Nimm Platz«, forderte Garwe den Sohn des Kometen auf. Er setzte sich an den großen zwölfeckigen Tisch an der Stirnseite des Raumes.
    »Du wirst Hunger haben und Durst.«
    Fronja-Maiden eilten herbei; sie trugen Schüsseln mit dampfendem Inhalt und stellten diese vor Mythor ab. Dann traten sie zurück, um der Hexe Platz zu machen, und verharrten mit ehrfürchtig gesenkten Köpfen.
    »Das Mahl soll dich stärken«, sagte Garwe. »Unsere Mutter Zahda meint, du wirst es brauchen. Noch kann niemand ermessen, was dich erwartet, wenngleich sie deine Entscheidung zu kennen scheint.«
    »Du weißt, was mit Fronja geschehen ist?«
    »Ich bin Zahdas Vertraute.« Garwe hielt es offenbar für überflüssig, mehr dazu zu sagen. Unbewegt sah sie zu, wie Mythor einer der Schüsseln gegarte Gemüseknollen entnahm. Etwa doppelt faustgroß und von zartgrüner Farbe, bestanden sie aus etlichen, ineinanderliegenden Schalen, die sich mit bloßen Fingern leicht lösen ließen. Sie mundeten ausgezeichnet, und der Gorganer konnte sich auf Anhieb keiner Speise entsinnen, die ihnen geschmacklich nahe kam. Gleichzeitig stillte die darin enthaltene Flüssigkeit auch den größten Durst.
    Nach einer Weile erst kam es dem Sohn des Kometen in den Sinn, daß die Speisen vergiftet sein könnten. Womöglich wollte man sich seiner für einige Tage entledigen, bis alles vorüber war.
    Zahda traute er ein solches Vorgehen nicht zu. Aber der Hexe… Sie ließ sich nicht anmerken, was sie dachte.
    »Setz dich zu mir«, sagte Mythor und deutete auf einen freien Schemel.
    Garwe schüttelte den Kopf. Ihr Alter war schwer zu bestimmen, sie mochte dreißig Sommer zählen oder auch vierzig. Flüchtig streifte ihr Blick über die Speisen.
    »Du verachtest mich, weil ich ein Mann bin?« fragte Mythor unvermittelt. Überrascht sah sie auf.
    »Wie kommst du darauf? Schließlich bin ich keine Hexe der Zaem.«
    »Das Gefühl, mehr oder minder alleingelassen zu sein, zählt. Du stehst zwar neben mir, bist aber nicht wirklich da.«
    »Ich weilte in Gedanken bei unserer Ersten Frau. In keiner Weise wollte ich dich dadurch kränken.«
    »Das kann ich sogar verstehen. Iß mit mir und laß uns reden über das Schicksal der Tochter des Kometen. Bis Zahda zurückkehrt, wird wohl noch einige Zeit vergehen.«
    Jetzt lachte die Hexe.
    »Bedrückt dich das? Fürchtest du,

Weitere Kostenlose Bücher