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Die Stunde des Löwen

Die Stunde des Löwen

Titel: Die Stunde des Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Köhl
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der Befragung dazu zu bewegen, ihn auf einen Happen ins Bahnhofsgebäude zu begleiten. Sie wäre lieber sofort zum Kettenhofweg aufgebrochen, um die Wohnung des Opfers zu inspizieren.
    An einem Stehimbiss in der Nähe des Informationsschalters musste er ein Heidengeld für eine Cola light und eine Käsebrezel im XXL -Format berappen. Die Asketin Mannfeld begnügte sich natürlich mit einem stillen Wässerchen.
    Sie nippte an dem Pappbecher und sagte: »Würde mich ja brennend interessieren, was so Wichtiges in der Tüte war, dass sie deswegen extra noch mal umkehrte.«
    Â»Vermutlich etwas, was sie im Hotelzimmer dringend gebraucht hat«, antwortete er und nahm einen großen Bissen von der Käsebrezel.
    Â»Die Tüte war nicht am Tatort.«
    Â»Und das bedeutet?«, nuschelte er mit halb vollem Mund.
    Â»Dass sie unser Täter mitgenommen hat.«
    Â»Oder das Zimmermädchen. Vielleicht befand sich etwas darin, was ihr gefallen hat.«
    Â»Um die Tote eiskalt zu bestehlen, war das arme Ding viel zu sehr durch den Wind.«
    Tatsächlich hatte die junge Bulgarin noch immer heulend in dem Aufenthaltsraum gesessen, als sie hinuntergegangen waren, um sie zu befragen, und sich auch nur schwer beruhigen lassen.
    Â»Okay, einigen wir uns darauf, dass es wahrscheinlich der Täter war. Dann muss aber etwas Wichtiges in der Tüte gewesen sein. Vielleicht war es das, was Selma Tassen das Leben gekostet hat.«
    Â»Motiv Habgier«, schlussfolgerte Mannfeld und wurde durch die dröhnende Lautsprecheransage unterbrochen, dass auf Gleis 6 der ICE in Richtung München in umgekehrter Wagenfolge einfuhr. »Vielleicht«, fuhr sie fort, nachdem es wieder ruhiger geworden war, »befand sich in der Tüte aber auch etwas Verräterisches. Etwas, was einen Rückschluss auf die Identität des Mörders zulässt.«
    Sie schwiegen eine Weile.
    Während Born den Rest der Käsebrezel in sich hineinstopfte, schien Mannfeld die im Bahnhofsgebäude umherlaufenden Reisenden zu beobachten. Erst als er die Serviette in den Papierkorb geworfen hatte, ergriff sie wieder das Wort. »Warum mietet sich eine ältere Dame wie Selma Tassen ohne Gepäck in einem Hotel nur wenige Kilometer von der eigenen Wohnung entfernt ein?«
    Â»Ein möglicher Grund fällt mir sofort ein.«
    Â»Und der wäre?«
    Â»Auch alte Damen wollen sich mal so richtig austoben.«
    Â»Ludger, das Opfer war schon über siebzig.«
    Â»Na und?«, konterte er und rieb sich mit anzüglicher Miene die Hände.
    * * *
    Fremden verließ das Haus mit einem kleinen Stoß der halb vergilbten Visitenkarten seines Onkels in der Tasche. Scheiben und Karosserie seines Peugeots waren mit einer etwa ein Zentimeter hohen Schneeschicht überzogen. Wundern durfte ihn das nicht, hatte er dem Treiben der Flocken vergangene Nacht doch selbst zugesehen. Erst von der Küche aus, in der er sich eine der vierzehn Dosen Ravioli aufgewärmt hatte, die in der Speisekammer lagerten, und dann von der Couch im Wohnzimmer aus, auf die er sich in seinem Schlafsack gelegt hatte.
    Vielleicht, dachte Fremden, während er den Wagen vom Schnee befreite, wäre es doch besser gewesen, wenn ich gestern noch zurückgefahren wäre. Die erste Nacht im geerbten Heim war nicht gerade berauschend gewesen. Verglichen mit dem Haus seines Onkels war sein Ein-Zimmer-Apartment im Frankfurter Ostend eine Luxusherberge. Trotz der friedhofartigen Stille, die das Haus in der Nacht umgab, hatte er nicht in den Schlaf finden können. Er hatte fürchterlich gefroren und schon im nächsten Moment in die Daunen des Schlafsacks geschwitzt. Und ständig hatten sich seine Gedanken im Kreis gedreht. Wie sollte er sich entscheiden? Ein paar Stunden in der Woche schwarz Taxi zu fahren, reichte definitiv nicht, um weiter über die Runden zu kommen. Im Grunde konnte er sich eine Absage an Bruckner gar nicht leisten. Noch im Rentenalter würde er sich mit der Hand an die Stirn schlagen und sich fragen, wie er so dämlich hatte sein können, sich fünftausend Euro durch die Lappen gehen zu lassen. Warum also nicht ein bisschen herumermitteln und das Umfeld des vermeintlichen Opfers abklopfen? So wie es Matula & Co auf dem Bildschirm taten. Sein Auftraggeber würde schon nicht so schnell dahinterkommen, dass er nicht der Jonas Fremden war, für den er ihn hielt. Erst als er eine Entscheidung

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