Die Stunde des Verfuehrers
Reinen, hob sie den Blick von ihrer Tochter und sah sich lächelnd um.
Sie saß in einem behaglich eingerichteten Wohnzimmer. Durch ein großes Fenster konnte sie in den Garten schauen, in dem unzählige Spielzeuge verstreut lagen. Trotz der zentralen Lage inmitten von Montmartre hatte man das Gefühl, auf dem Land zu sein. Dank der hohen Bäume, die Haus und Grundstück umstanden, drang der Pariser Verkehrslärm nur sehr gedämpft an ihr Ohr.
Plötzlich beschleunigte sich ihr Herzschlag, ein vertrauter Duft umfing sie. Und als habe auch Olivia die Nähe ihres Vaters gespürt, hob sie den Kopf und schlug die braunen Augen auf. Pascal küsste das Baby, bevor er einen leidenschaftlichen Kuss auf Alanas Nacken platzierte. Verlangen wallte in ihr auf, daran hatte sich nichts geändert. Insgeheim verwunderte es sie immer noch, dass auch Pascals Sehnsucht nach ihr unverändert stark blieb – obwohl sie nach der Geburt noch etliche Kilo zu viel auf den Hüften hatte.
„Wie kommt es nur“, flüsterte er ihr ins Ohr, „dass ich auf meine eigene Tochter neidisch bin?“
Alana wandte den Kopf und küsste ihn flüchtig auf den Mund. „Tja, das ist ja nicht das erste Mal, das du das durchmachst“, erwiderte sie trocken. „Ich denke, du wirst es überleben.“
Lächelnd nahm Pascal ihr die Kleine ab und legte sie in ihre Wiege. In dem Moment stürmten die Objekte seiner früheren Eifersucht ins Zimmer – zwei dunkelhaarige und dunkeläugige Miniaturausgaben von Pascal, einer ein bisschen kleiner als der andere. Sie zerrten an einem Rugbytrikot, auf dem das irische Wappen abgebildet war.
„ Papa “, rief der ältere. „Ich bin an der Reihe, das Trikot zu tragen. Ich will heute nicht der Franzose sein. Sag Sam, er ist dran. Außerdem ist es ihm viel zu groß!“
Der kleinere der beiden Jungs klammerte sich mit aller Kraft an dem Kleidungsstück fest. Seine Unterlippe begann zu zittern, Tränen glitzerten in seinen Augen.
Pascal sandte einen anklagenden Blick zu Alana, die sich ein Grinsen kaum noch verkneifen konnte. Sie schaute ihn vorwurfsvoll an. „Was? Du wusstest doch, dass ich aus einer großen Familie komme.“
„Ja, aber darum geht es gar nicht“, erwiderte er mit gespielter Ernsthaftigkeit. „Wie kommen unsere Söhne nur auf den Gedanken, man dürfe immer nur ein Land unterstützen?“
Alana stand von der Couch auf. Sie blickte zu Pascal hinunter, der auf dem Boden saß und den Sportteil der Zeitung vor sich ausgebreitet hatte. „Am Tag des Spiels zwischen Frankreich und Irland beim Six Nations Turnier? Es ist doch nur natürlich, dass unser ältester, extrem scharfsichtiger Sohn die Mannschaft unterstützen will, die gewinnen wird.“
Sie schenkte ihm ein fröhliches Grinsen und drehte sich zu ihren rangelnden Söhnen um. Doch Pascal griff nach ihrem Arm und zog sie zu sich herunter. Lachend landete sie auf seinem Schoß und gewährte ihm einen Kuss.
Sofort vergaßen die beiden Jungen ihren Streit. „Igitt!“, rief Patrick und zog seinen jüngeren Bruder aus dem Zimmer. „Das ist so uncool!“
„So uncool“, imitierte Alana lächelnd ihren Sohn. „Aber so viel Spaß.“
„Hmm“, murmelte Pascal. „Habe ich Ihnen heute schon gesagt, wie sehr ich Sie liebe, Madame Lévêque?“
Sie schenkte ihm ein kokettes Lächeln und fuhr mit einem Finger seine Brust entlang. „Ich glaube, das haben Sie nicht, Mr. Lévêque, aber ich wüsste schon, wie Sie das wiedergutmachen könnten.“
„Wie?“
„Lass mich nachdenken. Da unsere reizende Nanny angeboten hat, heute Abend den Babysitter zu spielen, könntest du mich zum Essen ausführen …“
Sie spürte, wie sein Körper sich versteifte. „Denkst du da an ein bestimmtes Restaurant?“, fragte er rau, während sein Kopf ihm schon unglaublich erotische Bilder vorgaukelte.
„Oh, ich bin sicher, mir fällt schon etwas ein …“ Alana küsste ihn auf den Mund. „Etwas Gemütliches.“ Sie küsste seinen Hals. „Intimes … Abgeschiedenes …“
„Wo wir nicht gestört werden?“
Sie schaute ihm tief in die Augen. „Genau daran habe ich gedacht.“
– ENDE –
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